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Diskussionsbeiträge zu den Themen Integration, Schule, Lehrerausbildung, Eltern als Bildungspartner und Bildungspolitik.
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Anregungen und Empfehlungen für eine ausstehende Bildungsreform von Lorenz Lassnigg. Ob das Bildungspoliker lesen und sich so Manches zu Herzen nehmen? Zu wünschen wär's! IHS-Policy Brief- Nr.14 - September 2016 - http://irihs.ihs.ac.at/4051/1/IHS Policy Brief 14 Lassnig
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Sinn und Unsinn des Genderns: der Mann > die Mannin >die MannInnen
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Medienerziehung Ein Beitrag für Studierende der Elementarpädagogik
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Vorurteile Ein Beitrag für Studierende der Elementarpädagogik
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Die Misere des österreichischen Bildungssystems - Eine Abrechnung 22.02.2015
Das Problem mit der interkulturellen Kindergartenpädagogik
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Integration - Was tun? Teil 2- 20.August 2014 / 3 Beiträge finden Sie unter "Über die Brücke" > "Zur Diskussion"
- Wer weiß. was Lehrer wirklich brauchen? 04. 01. 2011 / Dazu Anmerkungen 24. 11. 2013 > Über die Brücke > Einwürfe "Lehrerbashing ist politisch motiviert."
Zum Thema Integration siehe auch Kommentare von Studentinnen des BAKIP 12 unter "BAKIP - Lernmaterialien" auf dieser Homepage
- Eltern als Bildungspartner Eltern als
Zum Thema E-Learning (Zwischenbemerkung)
Jänner 2012: Weil ich gerade in einem Buchprojekt zum Thema eLearning engagiert bin, habe ich einen alten kurzen Text ausgegraben, den ich anlässlich der Publikation "Collaborative Blended Learning" (siehe Publikationsliste) als Handout für einen Workshop geschrieben habe. Inzwischen ist in dieser Sache viel weitergegangen, aber wichtige Einsichten scheinen nach wie vor gültig zu sein. Hier ist der Link zu diesem Text.
August 2012: Das Buch "Darf ich helfen, Frau Lehrer?" ist fertig und es ist ein tolles Buch geworden! In diesem Buch geht es um Erfahrungen von LehrerInnen und SchüllerInnen mit dem Einsatz von Computern in der Schule. http://www.newacademicpress.at/ oder als pdf file "Darf ich helfen Frau Lehrer? - 10Jahre eLSA" auf der eLSA Homepage. http://elsa20.schule.at Sie können auch googeln und das Buch als pdf file gratis herunterladen. Dazu eine kurze Buchbesprechung.
Vor einigen Wochen habe ich mir das Buch "Digitale Demenz" von Manfred Spitzer gekauft und gelesen, weil in "digitalen Medien" und "face to face" darüber so viel und kontroversiell diskutiert wurde und wird. Was mir dazu eingefallen ist, habe ich gleich "digital" meinem Computer anvertraut und wenn es Sie interessiert, können Sie das auch nachlesen, dank digitaler Medien, die Herr Professor Spitzer aufs Heftigste kritisiert. Siehe: Über die Brücke / Einwürfe - unten.
Nachtrag:
Universitäre Lehrerausbildung - 23.07.2011 (Da bin ich aber beruhigt, dass andere, gescheitere und wichtigere Leute als ich, ähnliche Bedenken haben und Begründungen anführen wie ich! - 10. 08. 2011: Von Japan aus die Presse-Online zu lesen bringt die kleine österreichische Welt ein wenig ins Bild - da lese ich: Zwanzig Prozent der Lehrer ungeeignet. - Sagt der Bildungswissenschafter Johannes Mayr von der Uni Klagenfurt in einem Presse Interview. Er meint auch, dass fachliche Eignung zu vernachlässigen wäre und es vor allem um elementare Fähigkeiten gehe, die im Studium nicht zu erwerben seien. 01.08.2012 Auch nach einem Jahr fällt mir zu diesem Thema nichts Neues ein, aber die Diskussion scheint ohne Ausblick auf ein Ende weiter zu gehen. Siehe Franckensteins Diskussionsbeiträge! 19.12.2012 Rudolf Taschner hat immer was Interessantes zu sagen. Er verweist auf Stefan Hopmann, Interview mit Bettinna Figl in der Wiener Zeitung "Lesetest ethisch nicht vertretbar".
Die Auseinandersetzung mit dem Thema "Was macht die gute Schule aus?" geht weiter. Jörg Dräger sagt in einem Interview vom 27. April 2013: "Gute Schule ist guter Unterricht" und der liege in den Händen der Lehrer, die leider noch wie vor 100 Jahren Wissen zu vermitteln versuchen. Gefälllt mir, was er da sagt! Lesen Sie selbst!
Im Zusammenhang mit "Bildung ist wie die Freiheit: Sie wird nicht verliehen, sondern genommen. Sie wird den Monopolisten der Intelligenz, die auf dem Erklärthron sitzen, entrissen. Es genügt, sich selbst zu erkennen und in jedem anderen sprechenden Wesen dieselbe Fähigkeit anzuerkennen" noch eine Buchempfehlung, von Erika Hummer empfohlen, - ein Buch, das mich zum Nach- und Überdenken angeregt hat: Der unwissende Lehrmeister von Jacques Ranciere
Wie ich in der Presse-Online lese, hat sich auch meine ehemalige Kollegin an der WU sich eines Aspektes dieses Problems angenommen. Schulabbruch: Einmal Eselsbank, immer Eselsbank? 13.08.2011 | 17:50 | von erich witzmann (Die Presse). „Kampffeld Schule.“ Den Terminus, den der französische Bildungssoziologe Pierre Bourdieu (1930–2002) geprägt hat, überträgt Erna Nairz-Wirth auf ihr Forschungsprojekt über „Early School Leavers“ in Österreich. Ich bin allerdings skeptisch, ob irgendein(e) Schuldirekto(in) sich die Mühe machen kann, die beiden Konvolute zu studieren und die vielen Empfehlungen an das Lehrpersonal weiterzugeben. Ich hab's mit Interesse gelesen und interessant gefunden.
Lernen lernen: Ein Gespräch mit dem deutschen Neurobiologen Prof. Gerald Hüther im ORF1 (Von Tag zu Tag) am 26.04.2011. Sollte sich jeder Lehrer, jede Lehrerin und alle TrainerInnen zu Gemüte führen. Mir hat er aus der "Seele" gesprochen. Wesentlich überzeugender als die Argumentation von Gerhard Roth in der Presse (Spektrum 30.4.).
Was engagierte Lehrkräfte und andere "Bildungsinnovatoren" denken, können sie hier nachlesen: Flyer - mit 16 Links versehen!
Der Flyer im PDF Format ist nicht nur schön anzusehen (siehe Ausschnitt oben), er ist auch funktionell: Wenn man auf ein Bild klickt kommt man direkt auf das Dokument inklusive 1-seitiger Kurzzusammenfassung: Flyer 3 Seiten PDF zum Herunterladen und Weiterverschicken (Dez. 2013)
Wer weiß, was die LehrerInnen wirklich brauchen?
4. Jänner 2011 / 2.Juni 2013 / 15.Oktober 2014
Noch immer kein Licht am Ende des Tunnels?! Ist es in diesem Land wirklich so, dass die Beamtengewerkschaft die Politik am Nasenring durch die Arena zieht und den Lehrervertretern (beider Lager) die Zukunft unserer Kinder egal ist?
Der oberste Beamtengewerkschafter, der Oberlehrer der Nation hat gesprochen und – so der Tenor prominenter und weniger prominenter Kommentatoren sowie wütender Kritiker in seriösen Onlineforen – der eigenen Klientel damit (so Karl Ettinger in der Presse) einen Bärendienst erwiesen. Die Unzumutbarkeit der Verschärfung des Zugangs zur Beamtenhaklerregelung bezieht sich natürlich auch auf die stressgeplagten Lehrer und Lehrerinnen, weshalb es auch keine Schulreform geben dürfe. Seine Meinung, man könne mit der Schulreform ruhig bis nach den nächsten Wahlen warten, ist nur erklärlich, wenn man ihm unterstellt, er und seine Klientel (die nach Meinung eines „echten“ Beamten genau genommen nur die Lehrerschaft sei) werde die linke Reformierwut bis dahin mit ihren breiten Beamtenhintern in Ruhe aussitzen können, um dann an die Spitze eines Beamtenstaates aufzusteigen. Die Schulen werden dann logischerweise in Ämter umgewandelt, die Lehrer voll beamtet, die dummen Immigrantenkinder beamtenstaatlich verwaltet und die braven Beamtenkinder durch die Eliteschulen geschleust, damit sie dann, mit akademischen Titeln und Privilegien ausgestattet, auch Beamte werden können. Wie sagte doch ein Beamtenstaatssekretär vor nicht allzu langer Zeit: „Ein guter Beamter bringt dem Staat Millionen!“ Super! Da brechen noch goldene Zeiten an für den Staat, den Beamtenstaat, denn der Staat, das sind die Beamten und nicht die ordinären Bürger. Ich hoffe doch sehr, er behält nicht Recht.
(der Ausdruck „breiter Beamtenhintern“ stammt nicht von mir, sondern von einem Kommentator in Die-Presse-Online.)
Und in der Presse ist weiter zu lesen:
>Pflichtschullehrer-Chef und Gewerkschafter Riegler fordert im Gespräch mit der "Presse" eine Master-Ausbildung für Volksschullehrer und warnt vor einem Alleingang von Ministerin Schmied und ihrem Team.
Die Regierung müsse daher endlich klarmachen, ….. ob die Volksschullehrer-Ausbildung aufgewertet werden und es daher mehr Gehalt für die Lehrer geben soll, und welche Lehrer künftig vom Bund und welche von den Ländern verwaltet werden sollen.
Käme die Politik ohne Antworten darauf, an der Gewerkschaft vorbei, zu einer Lösung, „dann ist das vielleicht der größte Blödsinn, den sie in den letzten 20Jahren erzeugt hat“, warnt Riegler vor einem Alleingang der Ministerin und ihres Teams.
Auch die Volksschullehrer sollten ihr Studium – wie alle Lehrer – mit dem Master abschließen, ehe sie unterrichten, findet Riegler und stellt sich damit gegen Schmied sowie deren ÖVP-Pendant, Wissenschaftsministerin Beatrix Karl. …… Der Master würde Lehrer aber besser für den Unterricht wappnen, sagt Riegler. Für diesen müsse es allerdings auch mehr Gehalt geben.<(R. Pöll, 02.01.2011)
Somit ist klar, worum es den Leuten von der Beamten- / Lehrergewerkschaft (aus der „schwarzen Reichshälfte“) geht, wenn sie von „Höherqualifizierung“ der Lehrer sprechen, es geht um höhere Gehälter, was ja nichts Unanständiges ist. Dass es dabei um Verteilungskämpfe, um politischen Einfluss geht, ist klar, aber klar ist zumindest mir nicht, welches Rüstzeug die Pflichtschullehrer eigentlich durch ein Masterstudium bekommen können und sollen. Die Vertreter der „Akademisierung des Lehrberufs“ werden doch nicht annehmen, dass der Titel „Master“ (der damit „gewappneten“ Lehrkraft) die Schüler und Schülerinnen zu besseren schulischen Leistungen anspornen wird. Da muss man schon inhaltlich werden, in die Schulen, in die Klassen gehen und herauszufinden versuchen, woran es mangelt, was genau besser gemacht werden kann, welches Rüstzeug die Lehrkräfte brauchen, bevor man die Frage beantworten kann, welche Institution ihnen selbiges vermitteln könnte. Nach Lektüre diverser Expertenpapiere bin ich nicht so sicher, ob „akademische ForscherInnen“ in der Lage sind, dies herauszufinden, das können die Unterrichtspraktiker vielleicht doch besser, und das tun sie ja gerade eben. Schade wäre, wenn sie sich bei dieser Arbeit von Leuten wie Neugebauer, Riegler und Co beeinflussen oder stören lassen würden.
Was die "Mittelschule Neu", die Förderung der sozialen und sprachlichen "Kompetenz" der Kinder in Kindergärten, die Verbesserung der Lernleistungen von Jugendlichen in den Grund- und mittleren Schulen betrifft, so ist das nicht nur eine Frage des Geldes, sonder in erster Linie das Problem des Mangels an gut ausgebildeten Fachkräften. Die gibt es weder ausreichend im Pflichtschulbereich, noch in den Pädagogischen Akademien, noch an den Universitäten, und das ist wohl auf teilweises Versagen der Wissenschafts- und Bildungsminister vergangender Regierungen, auf "Fehlbesetzungen" von Professorenstellen (die das Geschwafel von "Lehrer sollen forschen" den Entscheidungsträgern vorbeten) an den pädagogischen Fakultäten mancher Universitäten zurückzuführen: Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.
(Ein wenig Polemik erlaube ich mir, einfach um meinem Ärger Ausdruck zu verleihen. Was das Ansehen des Lehrberufs betrifft. sollten viel mehr Leute, vor allem jene, deren Worte Gewicht haben, den Lehrberuf "hochjubeln" und mehr Berufsethos einfordern , also mehr positive Stimmungsmache und weniger akademische Titelverleihung, denn von den LehrerInnen hängt es nicht zuletzt ab, ob die künftige Erwachsenengeneration in der Lage sein wird, den Wohlstand zu erhalten und Frieden zu bewahren. 4. Jänner 2011)
Was spricht für die „Akademisierung des Lehrberufs“?
Die Zwiespältigkeit der Entscheidungsgrundlagen
8. Dezember 2010
Meine Einwände gegen die Verlagerung der Lehrerausbildung an die Universitäten haben gute Gründe und ich verwehre mich gegen den Vorwurf einiger professoraler BilldungsexpertInnen, ich würde nur meine rückwärtsgewandte Privatmeinung vertreten. Ja, es ist meine Meinung!
Liest man den fast tausendseitigen Nationalen Bildungsreport 2009 (beauftragt vom BMUUK) durch, der ja als Entscheidungsgrundlage für die politischen Entscheidungsträger gedacht ist, scheinen meine Zweifel bestätigt zu werden.
So ein tausendseitiges Papier mit hunderten Verweisen auf zugrunde liegende Einzelstudien ist ja nicht leicht zu lesen, weshalb die „findings“, die so genannten Forschungsergebnisse heruntergebrochen werden müssen auf einige wenige „Empfehlungen“. Diese sind allerdings gar nicht so schlüssig abgeleitet aus den „Forschungsergebnissen“, wobei auch diese, wie die Autoren selbst einräumen, mit der Schulrealität nur mit Vorbehalten etwas zu tun haben. Es fehle den Studien, so die Autoren, an handfesten empirischen Daten aus dem „Feld“. Überspitzt gesagt: Die StudienautorInnen haben wenig Ahnung vom Schulalltag, weil sie sich diesem nur in der eigenen Schulzeit ausgesetzt haben.
Ein zentraler Punkt des Reports ist die Forderung nach einer Akademisierung des Lehrberufs und der Lehrerausbildung. Als Hauptargument dient der Hinweis auf „ein problematisches Geringschätzungssignal relativ zur fachwissenschaftlichen Ausbildung“. Ich frage mich, ob zum Aufpolieren des Selbst- und Fremdbildes von PädagogInnen die Reputation wissenschaftlicher Forschung nötig ist. Sorry, aber ich halte diese Argumentation für dumm und nur erklärlich, weil die AutorInnen sich selbst nur über die Titel Univ. Prof. und Dr. und … zu definieren scheinen.
Mir ist schon klar, dass Fachlehrer in den mittleren und höheren Schulen ein fundiertes Fachwissen brauchen, das man sich möglicherweise an Universitäten aneignen kann. Zumindest was die Grundschullehrer betrifft, halte ich dieses spezialisierte Fachwissen für irrelevant. Es geht um „Bildung“, und das soll wohl heißen:
Die Lehrkraft soll gebildet sein,
sie soll über ein möglichst breites Allgemeinwissen verfügen (was sich so im Laufe der Jahrhunderte auf der ganzen Welt an Wissen so angehäuft hat),
sie soll kultiviert sein (in den künstlerischen, sozialen, politischen …. Errungenschaften der Völker und Kulturen bewandert sein),
sie soll Zusammenhänge herstellen und sich eine eigene, fundierte Meinung bilden können,
sie soll respektvoll, wertschätzend, wohlwollend und einfühlend mit jungen Menschen umgehen können,
und – das ist glaube ich entscheidend – Neugierde, Wissensdurst, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Eigenverantwortlichkeit und Offenheit gegenüber anderen Menschen, Kulturen und der Welt entzünden und fördern können.
Kurz: Sie soll junge Menschen „bilden“ können.
Seit Humboldt sollte also klar sein, dass Bildung – was immer man mit diesem Begriff noch assoziieren mag – recht wenig bis nichts mir Spezialwissen und Forschung zu tun hat.
Um in der modernen Forschung einen Beitrag leisten zu können, muss die/der Forscher(in) sich viele Jahre hindurch erst mal den aktuellen Wissensstand in einer sehr eng begrenzten Fragestellung aneignen und dann weitere zig Jahre an einer Frage arbeiten, um dann vielleicht, in Kooperation mit KollegInnen, eine Antwort vorschlagen zu können. Ein(e) Wissenschaftler(in) muss nicht unbedingt gebildet sein, - sie/er braucht für seine/ihre Forschung auch keine Bildung im obigen Sinne.
Wenn die Lehrkräfte, angefangen von den KindergärtnerInnen bis hin zu den LehrerausbildnerInnen, „forschungsaktiv“ werden sollen, wie sollen sie dann noch Herz, Kopf und Zeit frei haben für ihre Kernaufgabe, der Ausbildung von Kindern und Jugendlichen? Und, wo sollen sie forschen? Neue ProfessorInnen an den Universitäten sollen Lehrer nicht nur ausbilden, sie sollen sie auch begleiten in Schulalltag und Forschung, wird da gefordert. Aber diese ProfessorInnen gibt es ebenso wenig wie die dafür notwendigen Strukturen und Lokalitäten, wie die Autoren unterstreichen. Woher nehmen? Aus dem Ausland? Aus Deutschland? Da ist die universitäre Pädagogik schon einmal auf die Nase gefallen, und das Heranwachsen eines neuen Lehrerausbildnerprofessorentyps braucht sehr sehr lange.
Im Abschnitt über die „Bildungsmotivation“ unserer Schüler verheddern sich die Autoren endgültig in den fundamentalen Widerspruch „Bildungsauftrag der LehrerInnen“ und „wissenschaftliche Forschung“. Wenn jemand ein exzellenter Forscher ist, heißt das noch lange nicht, dass er/sie ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin ist. Nicht wenige der forschenden UniversitätskollegInnen z.B. produzieren nach wie vor verblödende Power Point Folien und Skripten, wo alles schon fix und fertig da steht und nur noch rezipiert, in den Schädel eingebläut werden muss, mit dem Resultat, dass die Motivation, selbst zu denken und etwas zu herauszufinden, auf Null sinkt und man nur noch für Noten und das Bestehen einer Prüfung lernt. Die AutorInnen sollten mal den Lehrkräften bei der Arbeit zusehen oder sie fragen, wie sie es schaffen, Kinder und Jugendliche zum Lernen zu motivieren, sie für eine Sache zu begeistern, so dass sie dann kommen und sagen „Herr Lehrer, bitt’schön ums Lernen!“, wie’s einem Lehrer einer einklassigen Bergschule auf dem Weg von der Feldarbeit zur Schule zugerufen wurde.
Ich denke, die beiden Papiere, in denen zugegebenermaßen viel Arbeit steckt, sollten in den entscheidenden Teilen, die als Grundlage für Empfehlungen für Entscheidungsträger dienen, überarbeitet und mit den Empfehllungen abgestimmt werden.
Ich habe einige Passagen aus dem zweiten Band des Bildungsreports herauskopiert, damit Sie sich Ihre eigene Meinung von den Ungereimtheiten und Widersprüchen bilden können.
Hier die Auszüge:
Nationaler Bildungsbericht
Österreich 2009
Band 2
Fokussierte Analysen
bildungspolitischer Schwerpunktthemen
(b) Die Platzierung des pädagogischen Ausbildungsanteils an der akademisch niederrangigen Institution ist ein problematisches Geringschätzungssignal relativ zur fachwissenschaftlichen Ausbildung.
(Seite 109)
Als umfassende Strategie der Verbesserung der Lehrer/innen/ausbildung kann eine Zusammenführung unter dem Dach der Universität vor allem dann gelten, wenn es gelingt, die bisherigen Stärken der Pädagogischen Hochschulen zu importieren. Diese liegen in der Praxisorientierung der Ausbildung. Die in Österreich gegebene Heterogenität der Lehrerbildner/innen könnte sich als Vorteil erweisen, der nicht nur den einzelnen Lehrerbildner/inne/n Schwerpunktsetzungen ermöglicht, die ihren individuellen Interessen und Kompetenzen entsprechen (Blömeke et al. 2005: 10–15).
(Seite 110)
Ein sehr bedeutsamer Effekt der Zusammenführung der gesamten Lehrer/innen/bildung unter dem Dach der Universität ist neben der Aufwertung des gesellschaftlichen Status der Elementar- und Primarschullehrer/innen die Institutionalisierung und Stimulierung von Forschung. Es ist zum einen zu erwarten, dass das bisher an den Pädagogischen Hochschulen tätige Personal durch die Integration in die Universität in zunehmendem Maße forschungsaktiv wird. Zum anderen können Forschungslücken geschlossen werden. Die Anhebung der Ausbildung der Kindergärtner/innen- und der Primarschullehrerausbildung auf universitäres Niveau ist eine wichtige Strategie zur Forcierung von Forschung in den Bereichen Kindergarten- und Primarschulpädagogik; ähnliches gilt für die Berufspädagogik
(Seite 110)
Eine Lokalisierung aller Lehramtsstudiengänge an der Universität wirft verstärkt die Frage nach Gemeinsamkeiten und Besonderheiten zwischen den Lehrämtern auf. Eine sinnvolle Form der Binnendifferenzierung besteht mit Sicherheit in der Ausbildung zu Klassenlehrer/innen, die alle oder sehr viele Fächer unterrichten, einerseits (das sind Kindergarten-, Grundschul- und Sonderschulpädagog/inn/en) und in der Ausbildung zu Fachlehrer/inne/n andererseits, die (in der Regel zwei Fächer) in der Sekundarstufe unterrichten
(Seite 111)
3.4 Empfehlungen zur Reform der Grundausbildung
- Einrichtung der gesamten Lehrer/innen/bildung an den Universitäten mit einer Studiendauer von 6 Semestern für Kindergärtner/innen und von 10 Semestern (Master- bzw. Magisterniveau) für Primar- und Sekundarstufenlehrer/innen - Schaffung von Dachstrukturen für die Angelegenheiten der Lehrer/innen/bildung (Zentren für Lehrer/innen/bildung, Pädagogische Fakultäten) - rasche Einrichtung noch fehlender Professuren (bspw. in den Bereichen Elementar- und Primarschulpädagogik und -didaktik), Aufwertung der Fachdidaktiken durch Einrichtung zusätzlicher Professuren und Stimulierung der fachdidaktischen Forschung durch Forschungsanreize - Schaffung eines einheitlichen Lehramtes für die Sekundarstufe
(Seite 111)
4.3 Empfehlungen zur Ausgestaltung der Induktionsphase
- Einrichtung einer zweijährigen Phase der systematischen beruflichen Induktion für Lehrer/ innen aller Schulstufen und Schultypen - Reduktion der Lehrverpflichtung in diesem Zeitraum auf maximal ein Drittel der Unterrichtszeit einer voll qualifizierten Lehrkraft im ersten Jahr (das entspricht ungefähr der derzeitigen Regelung für Unterrichtspraktikant/inn/en an höheren Schulen) und auf zwei Drittel im zweiten Jahr - Verpflichtung der Schulen zu einer systematischen Personaleinsatzplanung für Junglehrer/innen, die an einer graduellen Erweiterung von Tätigkeitsspektrum, Verantwortung und Kompetenz orientiert ist - Aufwertung der Funktion des Mentors/der Mentorin, insbesondere auch durch eine qualifizierte Ausbildung - Einrichtung universitärer Begleitseminare, die von Universität, Schulverwaltung und Mentor/inn/en gemeinsam konzipiert werden - Angebot von – mit den Begleitseminaren abgestimmten – regionalen Gesprächs- und Arbeitskreisen für Junglehrer/innen mit einer Teilnahmeverpflichtung während der Induktionsphase und einer Teilnahmeberechtigung in den folgenden Jahren
(Seite 114)
Verankerung der Ausbildung, der Betreuung der Induktionsphase und der Fortbildung an der Universität und damit an ein und derselben Institution im Interesse eines Professionalisierungskontinuums
(Seite 118)
1 Problemanalyse
„The school is more likely to be a killer of interest than the developer“ – Dieses Resümee stammt aus dem letzten Jahrtausend (Travers 1978: 125), scheint jedoch keineswegs veraltet. In internationalen Studien wurde immer wieder gezeigt, dass das durchschnittliche Interesse von Schüler/inne/n an schulischen Lerninhalten mit zunehmender Jahrgangsstufe abnimmt (Jacobs et al. 2002; Gottfried et al. 2001). Jenseits des Interessenrückgangs diagnostizieren viele einschlägige Studien grundlegende motivationale Probleme und Defizite bei Schüler/inne/n (Pintrich/Schunk 2002). Ihr zum Teil trotzdem sehr hohes zeitliches Investment für die Schule ist durch Prüfungsangst und niedriges Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten mitbedingt (Spiel et al. 2002). Nicht wenige Schüler und insbesondere Schülerinnen unterschätzen ihr Leistungspotenzial (De Fraine et al. 2007).
Entsprechend aktueller Theorien der Motivationspsychologie hat jedoch genau diese Sichtweise der eigenen Fähigkeiten fatale Konsequenzen für das Engagement in Lern- und Leistungskontexten sowie für die Bewältigung von Misserfolgen (Dweck/Molden 2005).
Die Frage, wie die Motivation von Schüler/inne/n gefördert werden kann, ist daher nicht neu. Sie bekommt allerdings seit einigen Jahren zunehmend Brisanz im Kontext der Entwicklung hin zu einer „Wissensgesellschaft“.
Ein stetiges Dazulernen im Sinne der Erweiterung eigener Kompetenzen auf verschiedensten Ebenen ist hierbei unabdingbar. Einem solchen kontinuierlichen Lernen wird unter dem Schlagwort „Lebenslanges Lernen“ (LLL) international bereits seit einigen Jahren zentrale Bedeutung innerhalb der Bildungspolitik zugemessen.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse von Eder (2007), die einerseits domänenunabhängig und andererseits differenzierter als die PISA-Daten erhoben wurden, in vielen Bereichen zumindest eine mittelmäßige motivationale Gesamtsituation der österreichischen Schüler/innen. Dessen ungeachtet verschlechtert sich diese, je länger sie in der Schule sind.
(Seite 126)
- Die Schüler/innen beginnen ihre Schulkarriere mit durchaus positiven motivationalen Ausgangsbedingungen. Dies impliziert zumindest Handlungsmöglichkeiten, da nicht von einer grundsätzlichen Demotiviertheit ausgegangen werden muss. Es zeigt sich jedoch, dass der Ausbau positiver Motivation im Laufe der Schulzeit nicht gelingt, insbesondere was jene Parameter betrifft, die Erfolgserwartung und Wertschätzung des Lernens beeinflussen.
- Lehrkräfte sehen die motivationale Situation der Schüler/innen meist nur mittelmäßig positiv und mit Blick auf die Ziele und die Steuerung des Lernens sogar eher ungünstig: Lehrkräfte gehen z. B. davon aus, dass Schüler/innen beim Lernen v. a. Noten und Lob und weniger den Erwerb von Wissen im Auge haben. Sie schätzen die Lernkompetenzen der Schüler/innen insbesondere im Bereich der Lernstrategien eher niedrig ein.
- Lehrer/innen erachten ihren Anteil am Zustandekommen von (Miss-)Erfolgen der Schüler/innen als eher gering; Konsequenz ist eine selbstzugeschriebene Handlungsunfähigkeit bezüglich der Möglichkeit, eine Veränderung der Lernmotivation zu erreichen.
(Seite 127)
Insgesamt ist die Informationslage dazu, wie Unterricht in Österreich konkret abläuft und über welche Kompetenzen Lehrkräfte verfügen, sehr dürftig. Auch die beschriebenen Befunde beziehen sich nur auf einzelne Aspekte, resultieren primär aus Befragungen (meist von Schüler/inne/n) und stützen sich kaum auf Ergebnisse aus multimethodalen Zugängen oder Videostudien. Dementsprechend sind Schlussfolgerungen hier nur mit Vorsicht zu ziehen.
Seite 129)
Zusammenfassend legt die Analyse dieser Parameter nahe, dass schulischer Unterricht (auch) in Österreich derzeit keineswegs konsequent entsprechend bildungs- und motivationspsychologischen Maximen gestaltet ist. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und können an dieser Stelle nicht umfassend diskutiert werden. Fraglos ist jedoch auf den Bereich der Lehrkräfteaus- und -weiterbildung zu verweisen.
(Seite 130)
Denn Bildungsmotivation und Selbststeuerung sind keine Wissensinhalte, die man abhaken kann, um dann wieder zur Tagesordnung überzugehen. Die Förderung von LLL erfordert vielmehr ein konsequentes und stringentes Vorgehen auf allen Ebenen und in allen Phasen einer individuellen Bildungskarriere.
(Seite 135)
Anmerkung:
Der Nationale Bildungsbericht wurde von ForscherInnen verfasst. - Von den fast 50 Autoren und Autorinnen sind an die 90% UniversitätsprofessorInnen, Jene, die keinen Professorentitel haben, arbeiten durchwegs an Forschungsinstitutionen.
Das zweite Papier zur Lehrerbildung Neu schlägt Maßnahmen vor, die sich in den wesentlichen Punkten nicht von den Vorschlägen des Bildungsberichts unterscheidet. Ich hab’s schon gesagt: leere Phrasen. Ab in den Papierkorb! Das ist meine unqualifizierte Privatmeinung, und die kann ich ja wohl haben, oder?
LehrerInnenbildung NEU / Die Zukunft der pädagogischen Berufe / Empfehlungen der ExpertInnengruppe an die AuftraggeberInnen / Wien, 18. Dezember 2009 / (2. durchgesehene Auflage, September 2010
„Der Kampf um die Schule“
28. November 2010
Dass die Idee einer Verländerung des Schulwesens „dumm“ sei, und dass jeder einzelne Lehrer für die Qualität des Schulsystems mehr Bedeutung habe als alles andere – wie Michael Fleischhacker in seinem Leitartikel vom 27. November in der Presse schreibt – damit könnte ich mich anfreunden, wenn den Argumenten empirische Fakten zur Seite stünden. Ich frage mich, warum sich nicht mehr Lehrer, Eltern und Schüler mit ihren Erfahrungen und Einsichten zu Wort melden.
Die politische Rangelei um die Zuständigkeit für Schule und Lehrer erinnert mich an meine leidvolle Erfahrung als Junglehrer im tiefroten Kärnten der 60er Jahre, wobei aus meiner heutigen Sicht die Farbe nicht wirklich eine Rolle spielt. Die Farbe kann bekanntlich wechseln von braun zu rot zu blau und zu orange und andernorts zu schwarz, es bleibt doch immer dasselbe: Es geht um Macht und Einfluss, mit oder ohne Ermächtigung durch das Stimmvolk. Der Zugriff auf Schule und Lehrer spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Wie sich das einst abgespielt hat und sich vermutlich heutzutage auch in dieser oder jener Form abspielen könnte, zeigt meine Geschichte.
Frisch entschlüpft einer phantastischen „Anstalt zur Bildung von Lehrern“, der ehemaligen LBA, stand ich endlich voll Leidenschaft und Begeisterung in der Klasse einer mölltaler Volkschule, dann kurz danach in einer einklassigen Volksschule in der Gegend von St. Veit. Es war einfach wunderbar, bis eines Tages der Bezirksschulinspektor in der Klasse stand und mir eröffnete, dass ich versetzt werden müsse. Zwei Wochen später kam dann der Landesschulinspektor, Parteikollege und Freund des Bezirksschulinspektors. Es folgte eine vernichtende Kritik meines Unterrichts. Als Eltern und der Bürgermeister von meiner bevorstehenden Versetzung erfuhren, gab es einen Sturm der Entrüstung, Petitionen und Vorsprachen beim Schulinspektor und beim Bezirkshauptmann. Der Bezirksschulinspektor zitierte mich in sein Büro und fragte mich unumwunden, ob ich organisiert sei. Ich fragte ganz naiv, was er damit meine, wohl wissend, dass es um Politik ging, wogegen ich mich gewappnet fühlte. „Na, sind Sie bei einer Partei, bei der richtigen?“ Meine Antwort war „Nein“. „Dann kann ich leider nichts für Sie tun. Aber fahren Sie doch nach Klagenfurt und sprechen Sie mit Herrn X.“ Ich fuhr nach Klagenfurt in die SPÖ Parteizentrale, erhielt eine Parteibuch und Beglückwünschungen. Wieder beim Bezirksschulinspektor mit dem Parteibüchlein kam wieder die Frage: „Sind Sie organisiert? Sind Sie Gewerkschaftsmitglied, bei der richtigen Gewerkschaft?“ Meine Antwort war „Nein!“ „Dann kann ich leider nichts für Sie tun! Fahren Sie nach Friesach und sprechen Sie mit Herrn Y.“ Gewappnet mir Parteibuch und Gewerkschaftsmitgliedskarte sprach ich wieder beim Schulinspektor vor. „Gut!“, sagte er, „aber Sie werden trotzdem versetzt, denn Sie brauchen eine starke Hand, einen strengen Direktor. Also landete ich in Gurk, wo ich mich schnell wieder in meiner Klasse heimisch fühlte, und der Direktor, die Schüler und Eltern offensichtlich auch mit meiner Arbeit zufrieden waren. Der nächsten angekündigten Versetzung entkam ich mit Frau und zwei Kleinkindern dadurch, dass wir nach Wien gingen um zu studieren. Inzwischen hatte ich erfahren, dass der rote Bezirksschulinspektor einem Parteikollegen und Schulfreund versprochen habe, er werde dessen Sohn (einen meiner Schulkollegen) an jene Schule zuweisen, die dieser sich wünsche.
In Wien lernte ich Leute kennen, die im Fernsehen eine Art Konfliktesendung machten. Ein Thema war: Parteipolitischer Einfluss auf die Schule und die Willkür der Schulinspektoren. Ich erzählte Ihnen meine Geschichte; sie fuhren nach Kärnten, interviewten Betroffene, drehten einen Film und zeigten ihn im Fernsehen. Die Aufregung war so groß, dass zur Landesschulinspektorenkonferenz auch der Bezirksschulinspektor geladen wurde, um die Vorwürfe der parteipolitischen Willkür und des Machtmissbrauchs zu entkräften. Er rechtfertigte die Versetzungen mit dem Argument, ich wäre Alkoholiker und sei untragbar als Schulleiter gewesen. Die mitanwesenden ORF Mitarbeit drohten darauf hin mit Klage, da allgemein bekannt war, dass ich Antialkoholiker und Vorsitzender des Junglehrervereins für alkoholfreie Jugenderziehung gewesen war. Der Vorsitzende der Landesschulinspektorenkonferenz schickte mir dann ein langes und sehr freundliches Entschuldigungsschreiben, das ich eingerahmt und ins Bad gehängt habe. Die Freude am Lehrberuf habe ich mir allerdings bis heute nicht nehmen lassen. (Die Namen aller involvierten Personen sind dokumentiert.)
Die Lehre, die ich aus der Geschichte ziehe, könnte lauten: In kleineren Strukturen, wie in Gemeinden, Bezirken oder Ländern können Abhängigkeitsverhältnisse leichter instrumentalisiert und zu Zwecken des Machterhalts missbraucht werden (da muss man ja nicht unbedingt nur an „Das Rote Wien“ denken) als in größeren, weil in diesen das öffentliche Anprangern eher ohne gravierende Konsequenzen für die „Aufmüpfigen“ möglich zu sein scheint. Kurzum: Es ist wie in der Ehe; zu große Nähe schafft Probleme. Ich halte mir Parteipolitiker vom Hals, denn ihr Job ist es, uns etwas einzureden, was uns á la longue gar nicht gut bekommt.
Was sich tut, welche kreativen Energien frei werden, wenn verhärtete Strukturen - wenigstens zum Teil aufgelöst werden - können Sie nachlesen unter www.edumoodle.at/nms . Der Erfahrungsaustausch zwischen LehrerInnen in den Projekten Neue Mittelschule zeigt, wie's auch gehen kann.
Der Wohlfahrtsstaat, das Geschäft mit den Armen und Hilfsbedürftigen,
die Misere des Bildungssystems
und die wohlerworbenen Rechte
30. November 2010
Als 1993 der russische Staat fast pleite war und Pensionen und Gehälter von Millionen von Menschen nicht mehr auszahlen konnte, wurde das private Gelderwerbsverbot aufgehoben und das Schicksal der Not leidenden Bevölkerung in deren eigene Hände übergeben. Bei Regen und Schnee, bei Hitze und Kälte standen in den Städten endlos lange Menschenschlangen, jung und alt, auf den Straßen und boten ihre Habseligkeiten zum Kauf an. Da Vater Staat nicht mehr für sie sorgte, mussten sie von heute auf morgen lernen, sich selbst zu helfen, und sie taten es. Die einen mehr schlecht denn recht, und die Tüchtigen und Schlitzohren hatten bald ihre beheizten Kiosks an jeder Straßenecke stehen. Plötzlich konnte man auch in den entlegensten Orten hinter dem Ural Alkoholika, Süßigkeiten und Zigaretten aus dem Westen kaufen. Vater Staat hat dem bunten Treiben mit dem Steuereintreiben aber bald wieder ein Ende bereitet und mit dem eingetriebenen Geld ein Heer von Bürokraten bezahlt, die dafür sorgen sollten, dass es den Mittellosen nicht besser ging, als in kommunistischen Zeiten. Allerdings, allzu schlecht sollte es ihnen auch nicht gehen, denn dann könnten sie ja aufmüpfig werden und das neue System in Frage stellen. Sehr schlau!
„Der Wohlfahrtsstaat hat eine ganze Welt von Organisationen hervorgebracht, die sich […] auf das entsprechende Ausarbeiten von Bedürftigkeits- oder Förderungswürdigkeitsnachweisen spezialisiert haben. […] Der Wohlfahrtsstaat lebt von Empfindlichkeiten und von der fast beliebigen Beschaffbarkeit von Gründen dafür, unterstützungswürdig zu sein. […) Arm ist nicht, wem es an Subsistenzmitteln fehlt, sondern wer in einem bestimmten Abstand zum Rest der Bevölkerung lebt. […] – haben wollen, was die anderen haben, nur weil es die anderen haben – .“
Dies schreibt Jürgen Kaube in der Presse (Debatte / 25.09.2010) unter dem Titel „Vater Staat und die Erwachsenen“. Im Untertitel heißt es: „Die Politik des Lebensstandards als Maß aller Dinge verändert im Wohlfahrtsstaat auch die Disposition der Bürger. Galt früher das autarke Leben als erwachsen, überbieten sich heute die erwachsenen Bürger darin, ihre Unterstützungswürdigkeit geltend zu machen.“
Ach ja, „die Leute“ sind ja so verwöhnt, jammern und klagen und lassen sich ins soziale Netz fallen, und das Heer der professionellen Hilfeschreier hält ihnen auch noch ein Sprachrohr vor den Mund.
Denke ich an meine harte Jugend der Nachkriegszeit, an meine Erlebnisse in Indien oder in Russland, an meine Erfahrungen mit Arbeitslosen und Jugendlichen in Förderprogrammen, an Beobachtungen von Pensionistenstammtischrunden in Kaffees und Gaststätten, dann muss ich dem Autor wohl Recht geben: Mag der Leidensdruck in vielen Fällen auch groß sein, so fehlt doch offensichtlich der Wille zur Selbstbefreiung aus der misslichen Lage, und die lieben PensionistInnen – von denen ich ja auch einer bin – schimpfen und nörgeln und schütten sich dabei ein Glaserl nach dem anderen in den wohlgerundeten Wanst.
Dabei fällt mir der junge Inder in Bombay ein, der mit Frau und zwei Kindern im Straßenstaub saß und mit Glasscherben aus Kuhhörnern Tiere schnitzte und zum Verkauf anbot. Der hat was getan für seine Familie und den Kinder nicht Hände und Beine gebrochen, um sie zu den mitleidigen Touristen auf Betteltour schicken zu können.
Ich weiß eigentlich nicht, was ich denken soll, ich bin unsicher und meine Gefühle sind zwiespältig. Einerseits gehen mir das nicht enden wollenden Geschrei der ach so armen Leute in Österreich und die Hilferufe und die Bettelbriefe und SMS der „humanitären“ Organisationen auf die Nerven, andererseits träume ich davon, endlich mal einen schönen Lotto Sechser zu gewinnen, um damit was auf die Beine zu stellen, was den wirklich Armen in die Lage bringt, sich selbst zu helfen. Ist ja auch ein schönes Gefühl, wenn man sich mit Stolz und voll Genugtuung auf die Brust klopfen und sagen kann: „Ich bin ein Guter, ich habe etwas Gutes getan!“
Vielleicht hat der Herr Kaube ja doch Recht mit seiner Analyse des „Sozialstaates“: Die Hilfsbedürftigen und vor allem die vertrauensgeschützten Pensionisten, die egoistischen Privilegienbesitzer mit ihren wohlerworbenen Rechten fressen die Zukunft der Jugend auf. Oder sind es die „Raubtierzähne“ der Kapitalisten und Eliten? Oder ist doch wieder mal alles viel komplizierter. Die schlechten Pisastudien Noten lassen sich ja auch nicht pauschal den Immigrantenkindern in die Schuhe schieben.
Also der Reihe nach:
Beginnen wir mit dem Egoismus, mag er nun „gesund“ sein oder widerlich.
In meinem Buch „Wie kommt der Geist ins Hirn?“ habe ich im Kapitel „Barrieren und Strukturen“ argumentiert, dass Strukturen einen ambivalenten Charakter haben, insofern sie einerseits bewahren, schützen und das „auf etwas aufbauen Können“ ermöglichen, andererseits sich aber dadurch negativ bemerkbar machen, dass sie dazu tendieren zu verhärten und damit jegliche Weiterentwicklung und Anpassung an veränderte Umstände verhindern. Das trifft auf Rechtssysteme, auf politische Systeme, die Verwaltungsapparate, auf Unternehmen und Organisationen wie z.B. die Gewerkschaften ebenso zu, wie auf intellektuelle Strukturen, auf Religionen, politische Ideologien oder kulturelle Traditionen. Kurz: Strukturen betonieren das Erreichte ein schützen vor möglichen Unbillen des Künftigen. Strukturen dienen der Durchsetzung von Interessen – egal ob egoistischen oder altruistischen – über das Hier und Jetzt hinaus.
Verhärtete Strukturen führen notgedrungen zu Krisen und Zusammenbrüchen, und – so der Organisationstheoretiker und Unternehmensberater Michael Hammer – die einzige Möglichkeit derlei Katastrophen zu entgehen sei, alte Strukturen mit einer Axt kurz und klein zu schlagen und völlig neue aufzubauen. Also schlechte Aussichten für Strukturreformen? Warten wir also auf den großen Crash! Die gegenwärtigen Zustände in Österreich, in Europa und andernorts scheinen Herrn Hammer Recht zu geben. (Siehe dazu mein Beitrag im Buch „Wissensnetzwerke“.)
Das führt zum nächsten Punkt, dem Unwillen zur Veränderung und zum Lernen.
In den Debatten um die Misere des Bildungswesens wird von Experten argumentiert, dass man die Probleme durch eine neue Gesamtschule mit mehr Förderunterricht, durch Ganztagsschulen, kleineren Klassen und universitär ausgebildeten Lehrern lösen könne. Mag schon sein, doch mir scheint, dass dabei einiges übersehen wird, absichtlich übersehen wird, weil es zu kompliziert ist. Da wird auf das soziale Milieu, auf Armut, auf mangelnde Deutschkenntnisse von Immigrantenkindern verwiesen, aber übersehen, dass – so nicht nur meine Erfahrung – Kinder und Jugendliche, egal aus welchem Milieu sie stammen, recht unterschiedliche Lernleistungen haben, und das liegt nicht nur an der so genannten „Begabung“. Meine Beobachtungen und Erfahrungen legen eher den Schluss nahe, dass die Energie, die Motivation zum Lernen zu einem nicht geringem Teil aus dem Willen zum Ausbruch aus „dem Kerker“, dem Bedürfnis nach Überwindung der Beschränkungen und Mittellosigkeit gespeist werden. Verwöhnte, gehätschelte und mit Video und Computerspielen ruhig gestellte Kinder wollen nicht wirklich lernen. Wozu auch? Sie haben alles, und wenn nicht, so können sie sich darauf verlassen, dass ihnen irgendjemand die Begehrlichkeiten stillt, wenn sie nur laut genug schreien, - die Erwachsenen machen es ihnen ja auch vor. Ich verweise wieder mal auf Kurt Lewin und seine Theorie der Spannungsfelder – siehe meine diesbezüglichen Ausführungen im Buch „Collaborative Blended Learning“.
Wie aber soll und kann man die Eltern, die ja zunächst einmal für die Entwicklung von Lernhunger ihrer Sprösslinge zuständig sind, zu Lernanimateuren bewegen oder gar erziehen, wenn ihnen gar nichts daran liegt, ihre Kinder später mal die Hochschullaufbahn einschlagen zu sehen. Ich habe darauf schon im Diskussionsbeitrag „Integration – Was tun?“ hingewiesen.
Wir brauchen besser ausgebildete und für diesen Beruf wirklich geeignete Lehrer!
Ja, klar, aber wie soll man das bewerkstelligen?
Die wirklich guten, erfahrenen älteren Lehrer und Lehrerinnen sollen die Junglehrer ausbilden, ihnen zeigen, wie’s geht, und nicht (nur) die Universitätslehrer, denn die haben von Kindererziehung und Hinführen zum kindlichen Lernhunger keine Ahnung. Daneben können sie studieren, was eventuell für diesen Beruf noch dienlich sein könnte.
Lernen soll spielerisch geschehen und Spaß machen.
Ja, natürlich, aber ohne ein gewisses Maß an Druck und Disziplinierung geht’s auch nicht. Meine besten LehrerInnen waren die strengen aber fairen, wohlwollenden LehrerInnen. Wer kennt nicht den Ausdruck des Bedauerns: Ich hätte dies und jenes lernen sollen, - heute geht es mir ab, aber es ist zu spät, - mein Eltern haben mich nicht dazu angehalten!
Ein Aufschrei der Entrüstung würde durch die Lande hallen, sollte jemand zu sagen wagen: Nehmt den Leuten, den Kindern etwas weg, macht sie hungrig, wiegelt sie nicht in Sicherheit, schüttet sie nicht zu mit Bedürftigkeitszuwendungen, dann werden sie lernen. Nehmt den Türken die Islamschulen weg, denn da werden die Kinder darauf gedrillt, nicht zu fragen, nicht selbst zu denken, nicht etwas Neues zu entdecken. Nehmt den weiblichen Jugendlichen die Kopftücher weg, dann können sie sich nicht mehr darauf ausreden, keine Arbeitsstelle zu finden, weil sie ein Kopftuch tragen wollen und müssen, - dann werden sie nicht mehr in Förderkursen sitzen, nur um darauf zu warten, geheiratet zu werden.
Es gibt zahllose Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, die in kürzester Zeit die Sprache ihrer neuen Heimat lernen und sich zu MusterschülerInnen mausern. Das sind – das weiß ich aus meiner Erfahrung als Lehrer, Trainer und Betreuer von Kindern und Jugendlichen und aus Berichten meiner KollegInnen – durchwegs Kinder von Eltern, die unzufrieden sind mit ihrer Lage und sie verbessern wollen, die ausbrechen wollen aus der Misere. Sie haben einen Ausweg gesucht und gefunden: Ich muss und ich will lernen! Sie ziehen sich nicht in die Selbstbemitleidung zurück, sondern schauen voll Optimismus in die Zukunft. Siehe die Elternbefragung „Eltern als Bildungspartner“ und „Integration – Was tun?“ in „Zur Diskussion“.
Also noch mal:
Die Strukturen machen Lehrer faul und lernunwillig, die machen die Eltern faul und lernunwillig und alles zusammen macht die Kinder faul und lernunwillig! Schluss pasta!
Wenn Kinder – wie man sagt – „minder begabt“ sein sollten, dann soll man sie natürlich fördern und ihnen mit Lernanreizen zur Seite stehen.
Bleibt noch die Frage offen: Wozu eigentlich? Wozu diese anstrengende und bisweilen gar nicht so lustvolle Plackerei des Lernens?
Natürlich, damit es ihnen, den Kindern und uns mal besser geht, - damit sie einen gut bezahlten Beruf erlernen und unsere Pensionen bezahlen können. Dafür haben wir sie ja großgezogen. Oder? Punkt!
P.S.:
Zur Ergänzung und Illustration füge ich hier einen Ausschnitt aus einem Artikel in Integration im Fokus - Asgabe 2/2008 von Frau Prof. Gudrun Biffl und Mag. Günther Simonitsch an, in dem sie einige möglicherweise aufschlussreiche Zahlen anführen, aber in der Analyse, mit den Schlussfolgerungen und den vorgeschlagenen Maßnahmen (die ich lieber weglasse) mit Sicherheit nicht aufschlussreich bleiben.
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Bemerkenswert ist, dass sich der Bildungsgrad stark nach Geburtsland unterscheidet. Während Personen aus dem Raum der EU, und zwar den alten ebenso wie den neuen EU Mitgliedstaaten, im Schnitt einen merklich höheren Bildungsgrad als Österreicher/innen haben – mit über 40 % Matura und höherer Ausbildung –, haben vergleichsweise wenige Türken und Personen aus dem früheren Jugoslawien (ohne Slowenien) eine höhere Ausbildung. Vor allem Frauen aus der Türkei haben im Wesentlichen Pflichtschule (78 % der 20bis 64jährigen Frauen mit Geburtsland Türkei).
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Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Einfluss der Religion kaum von migrationsbedingten und sozialen Faktoren losgelöst zu analysieren ist, es zeigt sich jedoch, dass die Gruppe der Personen mit israelitischem Glauben den bei weitem höchsten Bildungsgrad hat, gefolgt von Protestanten sowie Personen ohne religiöses Bekenntnis und gewissen nichtchristlichen Bekenntnissen. Personen mit muslimischem Glauben, großteils aus der Türkei, sowie mit orthodoxem Glauben, großteils aus Serbien Montenegro, haben vergleichsweise selten Matura oder höhere Ausbildung. Aber auch die römischkatholische Mehrheitsbevölkerung im Alter von 20 bis 64 hat einen vergleichsweise geringen Anteil von Höherqualifizierten (27 % im Vergleich zu 16 % bei orthodoxen Christen und 13 % bei Muslimen im Gegensatz zu 46,3 % aller Personen israelitischen Glaubens.
Wie kann man Eltern (mit Migrationshintergrund) zu Bildungspartnern "erziehen"?
Mai 2010
Wenn die Wirtschaft Druck macht und dringend eine Reform des (österreichischen) Schulsystems verlangt, weil sie Arbeitskräfte braucht, die zumindest schreiben, lesen und rechnen können sollten, so ist das verständlich und ihr gutes Recht. Bildungspolitiker melden sich allerdings meist erst zu Wort, nachdem sie nach Veröffentlich der Ergebnisse einer Pisastudie von den Medien wegen ihres Versagens und ihrer Untätigkeit gerügt werden.
Pisastudie und Wirtschaft – hin oder her – die Verwertungslogik dominiert hier wie da. Unterschlagen oder übergangen wird dabei die gesellschaftlich politischen Auswirkungen des Versagens unseres Schulsystems bei der „Bildung“ aller Kinder und jugendlichen Mitglieder aus allen Gruppen unserer zunehmend vielschichtigeren Gesellschaft zu mündigen, entscheidungsfähigen, „vernünftigen“ Bürgern. Wie wird unsere Gesellschaft aussehen, wenn die Kinder von Randgruppen und von Zuwanderern, aber auch die Kinder unserer sonstigen Nachbarn nicht dazu befähigt werden, den Lauf der alltäglichen Geschehnisse und der Geschichte wahrzunehmen, zu interpretieren und verantwortlich Stellung zu beziehen? Die Behauptung entbehrt nicht jeglicher Grundlage: „Ungebildete Bürger verbarrikadieren sich im eigenen (mentalen, weltanschaulichen, religiösen) Schrebergarten und bekämpfen mit Inbrunst das Neue, das Fremde, das vermeintlich Andersartige. Und: „Die da oben sind die Bösen, die Gauner, und wir da unten sind die armen, betrogenen kleinen Leute.“ (So kann man’s täglich in immer neuen Varianten und zu immer neuen Anlässen in fast jedem Beisel und an jedem Gasthausstammtisch hören).
Also suchen wir die Wurzeln des Problems und reißen sie aus: 1. das System - 2. die Lehrer - 3. die Eltern
1. Das System wackelt schon und soll umgebaut werden, hört man und staunt.
2. Die Lehrer, die sollen eine neue Ausbildung verpasst bekommen, liest man.
3. Die Eltern, die sollen enger an die Brust (in Verantwortung) genommen werden.
Zu den Punkten 2 und 3 hat das zuständige Ministerium jüngst eine bemerkenswerte Initiative gestartet, und zwar: Mit Hilfe des Internet sollen alle Involvierten – stakeholder, wie man sagt – zu Wort kommen; die Lehrer, die Eltern, die Schüler, die Experten und sonstig Interessierte. Also Informationen von unten: Wo drückt der Schuh? Was sind die guten, schlechten Erfahrungen? Was sind die Wünsche und Verbesserungsvorschläge? Da schlägt einem das Herz höher in freudiger Erwartung der weiterhelfenden Ergebnisse. Ich enthalte mich eines Kommentars vor deren hochoffizieller Veröffentlichung.
· Exkurs zu Punkt 2:
Ich komme gerade (Juli 2010) vom Englischunterricht als Volunteer an einer japanischen Volksschule zurück. (Seitdem ich nicht mehr an japanischen Universitäten lehre und „forsche“, besuche ich jährlich für 2 bis drei Monate Japan. Siehe: Japan 2010) So kontrovers die Ansichten über das japanische Schulsystem auch sein mögen, einiges beeindruckt mich immer wieder ungemein:
Die LehrerInnen verbringen den ganzen Tag in der Schule und betreuen die Kinder mit Herz und Hingabe auch außerhalb des regulären Unterrichts mit Sport, Musik, japanischen Künsten und so weiter. Viele Lehrer sind auch während der einmonatigen Sommerferien mit ihren Schülern beschäftigt, sei es auf Sommercamps oder in der Schule. Sie nehmen ihren Beruf ernst und lieben die Kinder, - das ist mein Eindruck.
Die Kinder sind diszipliniert und ungemein folgsam und freundlich, andererseits aber toben, schreien, lachen und singen sie herum, dass es eine reine Freude ist, ihnen zuzusehen, und es scheint niemanden zu stören. So was hab ich an österreichischen Schulen noch nicht erlebt.
Zweimal pro Tag sind alle Kinder in eingespielten Ritualen für zwanzig Minuten damit beschäftigt, die Schule und den Schulhof von oben bis unten und von vorne bis hinten zu putzen, und sie machen es offensichtlich mit solcher Selbstverständlichkeit und Hingabe, als würden sie ihre Zähne putzen. Beim Schwimmunterricht und bei anderen sportliche Aktivitäten (die mehr Spiel und Spaß als Unterricht sind), spielen Schulkolleginnen und Kollegen die Rolle von Co-Trainern und benehmen und fühlen sich (offensichtlich) wie kleine Lehrer. Dass die Gruppe in Japan eine wichtige Rolle spielt ist ja bekannt, aber man muss mal selbst sehen und miterleben, wie Schüler andern Mitschülern unter die Arme greifen, wenn diese es brauchen.
Kurz: die Atmosphäre in Schulen – so weit ich es aus eigener Anschauung beurteilen kann – ist so, dass ich da auch gerne mal in die Schule gegangen wäre. (Aber, wie gesagt, jede Münze hat zwei Seiten!)
Da es in Japan (fast) keine Immigranten gibt, haben die Schulen klarerweise das Problem der Integration fremdsprachiger, fremdkultureller Kinder in die eigene „Reisplantage“ nicht.
Ich habe weiter oben gemeint, dass Lehrer für einige Zeit in einem nichteuropäischen Ausland Erfahrung sammeln sollten, um ihr Wahrnehmungsvermögen gegenüber scheinbaren Notwendigkeiten, Selbstverständlichkeiten und Unveränderlichkeiten zu schulen und die eigene berufliche Praxis mit anderen, kritischeren Augen sehen zu lernen. Ich unterstreiche das noch mal.
Was tun die Eltern dieser Schüle? Sie sorgen für eine positive, leistungsfreundliche Einstellung ihrer Kinder gegenüber der Schule. Sie hegen und umsorgen ihre Kinder mit allem, damit diese sich ganz der Schule und den schulischen Aktivitäten widmen können. Sie helfen den Kindern aber nicht beim Lernen, bei den Hausaufgaben, zumindest ist mir Derartiges nicht zu Gesicht und zu Ohren gekommen.
· Damit zu Punkt 3, zu den Eltern:
Es ist mir nach sorgfältigem Verfolgen der Internetdiskussion (Beiträge in der Plattform) nicht klar, ob „die Schule“ (die LehrerInnen) es wünschen und wollen, dass die Eltern – vornehmlich jene mit Migrationshintergrund – sich stärker für die Schule engagieren, häufiger in die Schule kommen und mit den Lehrkräften sprechen, oder ob es ihnen eine Last, eine lästige Pflicht ist, Eltern in die Schule „vorzuladen“ und sie zu informieren bzw. zu rügen.
Auf jeden Fall: Ich habe gedacht, dass es eine gute Idee ist, die Eltern zu Wort kommen zu lassen. Weil aber die meisten Eltern mit Migrationshintergrund (und nicht nur diese) sich mit dem Schreiben auf Deutsch und mit dem Computer schwer tun, habe ich sie selbst befragt, bzw. meine KollegInnen gebeten, dies zu tun. (Der Fokus der diesbezüglichen Initiative des Ministeriums lag/liegt ja auf Eltern mit Migrationshintergrund.)
Hier sind die Ergebnisse:
Eltern als Bildungspartner: Befragung schriftlich (gekürzt)
Anmerkung: 100 Fragebögen wurden in DaF Kursen zweier Kursanbieter verteilt, mit der Bitte, sie zu hause mit Partner und Kindern gemeinsam die Fragen zu beantworten. Die einzelnen Punkte wurden in Form von ganzen, einfachen Fragesätzen formuliert. Rücklauf bisher 59. Die Fragen bezogen sich auf:
2. Herkunft:
Albanien 4 Ägypten 3 Bosnien 4 Kosovo 3 Mazedonien 3 Montenegro 2 Serbien 3 Türkei 9 Afghanistan 3 Irak 2 Iran 3 Syrien 2 Indien 3 Polen 2 Russland 2 Tschetschenien 4 Georgien 2 andere 5
· Schulbildung Eltern:
Grundschule / Hauptschule 60% Höhere Bildung 35 % keine Schule 5 %
3. Schule Kinder:
Kindergarten 4 Volksschule 18 Hauptschule 16 Gymnasium 8 andere 11
4. Erwartung an Kinder (Berufswunsch):
Arzt 6 Architekt 3 Ingenieur 5 Techniker 2 Pilot 2 Lehrer 1 Diplomat 1 (keine Angaben / gut verdienen 38)
5. Bildungswunsch an Kinder:
Universität / höhere Schule 68 % gute Ausbildung 30% keine Angaben 2%
6. Probleme der Kinder in der Schule wegen Migrationshintergrund:
Keine Probleme 86% manchmal 8 % keine Angaben 6 %
7. Gespräch mit Lehrern (Eltern besuchen Schule):
Regelmäßig 26% manchmal 32% selten 18% Partner et al. 24% (Sprachprobleme)
8. Gesprächsklima:
Sehr gut 15% gut 45 % unterschiedlich 33% keine Angaben 17%
9. Sind LehrerInnen hilfsbereit und freundlich?
Ja, sehr 22% ja 18% manche ja, manche nicht 34% nicht 8% keine Angaben 18%
10.Wünsche an Schule / LehrerInnen?
Mehr Disziplin und Regeln 5 / Mehr Verständnis für Ausländer 7 / Mehr Verantwortlichkeit, wenn Probleme auftauchen 3 / Mehr Elternabende 4 / Mehr Information 4 / gute Ausbildung für meine Kinder 8 / Rest keine Angaben.
11.Verbesserungsvorschläge – Beziehung zur Schule:
Mehr Elternabende 4 / mehr Information 4 / Rest keine Angaben
12.Schlechte Erfahrungen mit den LehrerInnen:
Ja 4 / Keine 18 / ich nicht, aber mein Kind schon 6 / Rest keine Angaben
13.Gute Erfahrungen:
LehrerInnen sind nett und freundlich, hören zu und bemühen sich 4 / habe Email bekommen 2 / SMS oder Anruf hat mich gefreut 2 / Rest keine Angaben
Befragung mündlich (Diskussion in Gruppen von 7 bis 11 Pers.)
Anmerkung: Befragung wurde in 4 Gruppen (38 Personen) durchgeführt. Dauer 15 – 20 Min. Konkrete Fragen wurden an jede Person der Reihe nach gestellt (in Analogie zum Frageborgen) und Beispiele gegeben. Jeder konnte sich mit eigenen Fragen und Erfahrungen einmischen.
· Ergebnisse zusammengefasst:
Aussagen zu den Punkten 1 bis 5 (siehe oben) deckten sich mit denen der schriftlichen Befragung.
Aussagen zu den Punkten 6 bis 12 waren zunächst durchwegs positiv (alles super, gut, keine Probleme).
In allen Gruppen gab es nach kurzer Zeit und nach genauerem Nachfragen ein oder zwei Kursteilnehmer (mit relativ guten Deutschkenntnissen), die von negativen Erfahrungen zu sprechen begannen. Andere TN hörten gespannt zu und sagten: „Ja, so was hab ich auch schon erlebt / meine Bekannte/Schwester etc. hat mir Ähnliches erzählt.“
· Beispiele:
Meine Tochter kam weinend nach hause, die Lehrerin hätte sie vor der Klasse beschimpft. Ich bin in die Schule gegangen und die Lehrerin hat mich vor der Klasse heruntergemacht, - sie sei die Pädagogin und ich erziehe mein Kind schlecht.
Mein Sohn hat eigentlich keine Probleme in der Schule, aber wenn er einen Fehler macht, sagt die Lehrerin, das sei typisch Ausländer, aber er ist in Österreich geboren und kann perfekt Deutsch, andere Wiener Kinder machen viel mehr Fehler.
Ich gehe nicht gerne in die Schule, weil ich zu wenig Deutsch sprechen kann und die Lehrer immer ungeduldig und unfreundlich werden.
Meine Tochter ist 16 geworden und trägt jetzt ein Kopftuch. Ihre Klassenkameradinnen haben sie gehänselt und die Lehrerin hat zuerst nichts dagegen gemacht, erst nachdem ich mit der Direktorin und der Lehrerin gesprochen habe, ist es besser geworden.
Mein Sohn geht ins Gymnasium und er bekommt in Deutsch schlechte Noten. Die Lehrerin hat gesagt, er soll mit einem Nachhilfelehrer besser Deutsch lernen. Er ist ziemlich frustriert, weil er lieber auf Englisch schreibt und Deutsch nicht mag.
Meine Tochter erzählt oft, dass die Lehrer über türkische und balkanische Kinder schimpfen und sagen, dass sie dumm und faul sind, aber sie selbst hat eigentlich keine Probleme, weil sie sehr fleißig und lieb ist.
Weil ich sehr schlecht Deutsch sprechen und verstehen kann, nehme ich immer meinen ältesten Sohn mit in die Schule, aber der Lehrerin gefällt das gar nicht.
Ich möchte die Lehrerin nicht kritisieren, obwohl sie manchmal sehr unfair zu meiner Tochter ist, weil sie dann ihren Ärger noch mehr an meiner Tochter auslässt.
Aussagen zu Punkt 11:
Häufig genannt: Mehr Verständnis und Geduld von den Lehrkräften / mehr Elternabende / mehr Zeit zum Sprechen / mehr Information
Anmerkung zu den schriftlichen und mündlichen Befragungen:
In den Gruppen, in denen schriftliche Befragungen durchgeführt wurden, wurden keine mündlichen Interviews durchgeführt. Weil zwischen den Aussagen der schriftlichen und der mündlichen Befragung deutliche Unterschiede zu erkennen sind, nehme ich an, dass es bei der schriftlichen Befragung Hemmschwellen gibt, negative Erlebnisse und detailliertere Antworten zu geben. D.h., die schriftlichen Antworten sind möglicherweise wenig aussagekräftig. Ein gewichtiger Grund für die positiven (schriftlichen) Antworten könnte auch sein, dass sich die Eltern und ihre Kinder in ein positives Licht rücken wollen: „Wir haben / wir machen keine Probleme / wir sind gut / nett / freundlich / geliebt / akzeptiert.“ Verständlich, denn wer sagt schon gerne, dass er/sie und seine Kinder Probleme machen, - und weil man die Gründe dafür bei sich selbst sucht, bzw. davon ausgeht, dass die Lehrer (die Umwelt) es so sehen.
Parallel zu meiner Elternbefragung gab es – wie eingangs erwähnt – eine Internet-Diskussionsrunde, wo Schüler, Eltern und Lehrer eingeladen waren, ihre Erfahrungen und Meinungen zu veröffentlichen. Die Ergebnisse wurden dann ausgewertet und in einem Bericht zusammengefasst.
Mit beiden, der Online-Diskussion und der Auswertung war ich nicht wirklich zufrieden, weil sich hauptsächlich LehrerInnen zu Wort meldeten. Außerdem war das Design nicht ideal für ein derartiges Unterfangen, denn die Elternaussagen konnte jeder lesen und kommentieren und dies taten vor allem Lehrkräfte, was dazu (nach Aussagen einiger Eltern) geführt hat, dass sich die Eltern nicht mehr trauten, etwas von sich zu geben, vor allem nichts Negatives; - es könnte ja die Lehrerin lesen und das Kind dafür bestrafen. (Postings waren nicht anonym möglich.)
Anmerkung zur Zielgruppe der Befragungen:
Etwa zwei Drittel der in AMS Schulungen befindlichen Deutsch-lernenden Personen sind ältere Damen und Herren, die spezifische Probleme haben (Arbeitsplatzverlust, zu alt, Krankheit / finanzielle Probleme / Partner arbeitslos, etc.). Die meisten von ihnen leben schon seit längerer Zeit in Österreich und ihre Kinder sind meist schon in Österreich geboren. Der (relative) Leidensdruck führt vermutlich dazu, dass sie sich selbst (und ihre Familie) aus dieser Lage herausführen wollen und daher großes Interesse an der Wahrung von Bildungs- / Aufstiegschancen ihrer Kinder haben: „Sie sollen es besser haben!“
Etwa ein Drittel der Kursteilnehmer sind neulich immigrierte (jüngere) und z.T. auch Personen, die einfach im vermeintlichen Paradies Fuß fassen wollen. Sie sind großteils hoch motiviert, kämpfen aber mit ihren mangelnden Qualifikationen und Deutschkenntnissen. Deren Kinder lernen meist in kürzester Zeit die Deutsche Sprachen und zeichnen sich durch Lerneifer und gute schulische Erfolge aus. Die Erwartungen der Eltern an ihre Kinder sind weitaus höher, als die der ersten Zielgruppe.
Die Ergebnisse der Befragungen scheinen mir aus folgendem Grund nicht wirklich repräsentativ zu sein:
Eltern mit Migrationshintergrund, die sich schon seit längerer Zeit in Österreich aufhalten – in der Regel handelt es sich um türkischstämmige Personen – und sich hier in ihrer eigenen Community etabliert haben (beruflich / ökonomisch abgesichert sind und in diesem Sinne „integriert“ sind, ihre Kinder fleißig in die Koranschule schicken), werden von der Befragung nicht erfasst, weil sie (noch) nicht Klienten des Arbeitsmarkservice sind (also nicht wegen Arbeitslosigkeit Deutschkurse besuchen müssen). Meine Beobachtungen (und Gespräche) lassen den Schluss zu, dass ihre Erwartungen, Karriere-/Aufstiegswünsche gegenüber ihren Kindern weitaus niedriger sind, als die der befragten Personengruppe. Die Kinder sollen einen einfachen Beruf erlernen, das eigene Geschäft übernehmen oder selbst eine Firma gründen. Die männlichen Jugendlichen verkehren in eigenen Zirkeln, wollen ein tolles Auto haben, heiraten, Kinder haben und das Leben genießen, - weibliche Jugendliche sehen keine dringende Notwendigkeit, schulisch erfolgreich zu sein und einen Beruf zu erlernen.
Das sind freilich Vermutungen und wenn sie zutreffen sollten, stellt sich mir die Frage, inwieweit es gerechtfertigt ist, von dieser Personengruppe eine Veränderung ihrer Einstellungen und Lebensgewohnheiten zu verlangen. Sie haben sich bei uns (im positiven Sinne) ein „Nest“ gebaut und fühlen sich offensichtlich recht wohl dabei. (Siehe dazu: Integration: Was tun?) Eltern als Bildungspartner? Nein? Geben wir ihnen und überhaupt allen Eltern Eltern-Nachhilfeunterricht? Oder sollte jemand die Lehrer erziehen?
Ich möchte darauf hinweisen, dass es sich bei meinen Befragungen und Kommentaren um keine wissenschaftliche Untersuchung / Aussagen handelt. Was mich interessieren würde ist: Wie sehen Lehrkräfte die Situation / die Problemlagen? Dazu hab ich wenig gelesen, außer dass man sich an der administrativen Überlastung und an bürokratischen Schikanen die Zehen wund stößt.
Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen für Ihre Unterstützung und Zusammenarbeit.
Einige kritische Anmerkungen eines Nicht-Experten zur Diskussion über die
neue Lehrerausbildung.
März 2010
Zum leidigen Thema Lehrergewerkschaft als Bremsklotz der Reform des österreichischen Schulsystems will ich nicht Stellung nehmen, – es hätte ja wohl auch keinen Sinn, denn auflösen oder verbieten kann man sie leider nicht.
Dass weiters die österreichische regional Eigenbrötelei in manchen Bereichen Sinn macht, in anderen, wie dem Schulwesen eher weniger, darüber zu räsonieren bringt auch nichts.
Aber was vielleicht doch in Reichweite der Meinungsbildung und der Veränderbarkeit durch diese liegt, und daher diskussionswürdig scheint, ist in meinen Augen folgendes:
· Ich kann nachvollziehen, dass es den LehrerInnen aus Statusgründen und z.T. auch aus finanziellen Gründen ein Anliegen ist, die Ausbildung mit einem universitären Abschluss zu krönen, aber ich halte es für eine Schnapsidee, wenn ich an die für den Lehrberuf nötigen Qualifikationen denke: Lehrer/in sein ist ein Beruf, eine harter aber auch schöner Beruf (wenn man Kinder liebt) und dafür muss man eine „Berufsschule“ durchlaufen; Unis sind – in der derzeitigen wie in der vorgeschlagenen Konstellation der falsche Platz. Die Verwissenschaftlichung der Lehrerausbildung wird für das Bildungsniveau in Österreich – wenn ich an die pädagogischen Qualifikationen der Hochschulabgänger (von denen ich genügend kenne, um dies beurteilen zu können) – fatale Folgen haben.
· Ich habe noch die alte Lehrerbildungsanstalt besucht und da habe ich zehnmal mehr von Pädagogik und Psychologie (Kinderpsychologie, Methodik, Didaktik….) gelernt als während meines Pädagogikstudiums an der Universität. Meine LehrerInnen an der LBA waren nicht nur ausgezeichnete Pädagogen, sie waren Persönlichkeiten, Künstler, Musiker, Naturwissenschaftlicher, Philosophen usf., denen die Ausbildung und das Wohl ihrer Schützlinge ein Herzensanliegen war. Hingegen waren die Professoren an der Uni arrogant, hatten durchwegs keine Ahnung von Kindererziehung und waren rückwärtsgewandt in ihren Ansichten, haben von Kant und anderen Dingen geschwafelt, die sie selbst nur an der Uni gelernt und meist gar nicht verstanden haben: Die Misere der heutigen Pädagogik hat im System der universitären Pädagogik der 70er Jahre ihre Wurzeln! Da hat sich, so wie ich das beurteilen kann, auch nicht allzu viel geändert. Was machen die PHs besser? Und erst die Unis?! Das frage ich mich ernsthaft.
· Täglich habe ich es (als pensionierter Volksschul- und Unilehrer) in Aus- und Weiterbildungskursen mit TrainerInnen zu tun, die frisch von der Uni kommen, den Job als Überbrückung machen und Null Ahnung vom „Unterrichten“ haben: haarsträubende(s) Unwissen und Unerfahrenheit sind der Normalfall. Ich habe lange genug an Unis gearbeitet und betreue jetzt noch DissertantInnen und DiplomantInnen und weiß daher, wie weit her es ist mit der Vorbereitung für einen Lehrberuf. Wenn schon Universität, dann sollten die „LehramtskandidatInnen“ erst eine fundierte Lehrerausbildung machen, nach einigen Jahren Lehrberufserfahrung studieren und sich dann entscheiden, ob sie an die Schule zurückgehen oder nicht.
· Ich halte überhaupt nichts von der Pragmatisierung, die gehört abgeschafft. (Lehrer als Beamte – ist ja überhaupt ein Witz!) Lehrer sollten generell nach mehreren Jahren Berufstätigkeit (temporär oder für den Rest des Lebens) den Beruf wechseln (um burnout Syndromen zu entgehen und das sich Gemütlichmachen im sicheren Nest zu verhindern). LehrerInnen, die ihre Schützlinge nicht lieben und ihren Job satt haben, die sonst auch satt oder ausgebrannt sind, die kein „Feuer“ in sich mehr spüren und nur mehr die Alltagsschulroutine abspulen, sollen von den Schulen entfernt werden können, – von den Eltern, Schülern und der Direktion gemeinsam.
· LehrerInnen sollten öfters die Schule und den Schultyp wechseln müssen, und wenn’s sein muss, ab in den Kindergarten oder in die Altenbetreuung.
· LehrerInnen sollten eine fundierte musikalische / künstlerische Ausbildung hinter sich bringen müssen: unmusikalische Menschen sind meist nicht als Lehrer geeignet.
· LehrerInnen sollten mindestens einmal für einige Jahre in einem nichteuropäischen Ausland Erfahrungen (als Lehrkraft, Entwicklungshelfer oder…. sammeln und auch eine nichteuropäische Sprache lernen) oder mal in der Wirtschaft oder sonst wo sich Sporen verdienen. Raus aus dem eigenen Krautgarten und hinaus in die Welt, da gibt es viel zu lernen und zu erfahren!
· Angehende Lehrkräfte sollten ausnahmslos erst nach einigen Jahren Erfahrung-Sammeln im Umgang mit Kindern und Unterrichten als Fix-LehrerInnen angestellt werden. Diese Erfahrungen lernt man nicht an den Unis, zumindest nicht im derzeitigen universitären Pädagogikstudium; und weil jemand von den so genannten ExpertInnen ins Treffen geführt hat, an den Unis lerne man „reflektieren“, was wichtig sei für Überprüfung und Relativierung der eigenen Standpunkte: Ich für meinen Teil bestreite das entschieden. Ich will hier kein Traktat über „Reflexion“ schreiben, aber für mich ist das, was im Zusammenhang „was Lehrer brauchen“ eine Haltung, die man nicht durch Studium erwirbt. Der Reflexionsbegriff im Expertenpapier, das dem Unterrichtsministerium vorgelegt wurde, (S 79) spricht Bände, um nicht zu sagen „Schwachsinn“.
· Das Expertenpapier halte ich für eine „Argumentation in die Tasche“ der ExpertInneninteressen, die ja durchwegs an Unis angesiedelt sind. Warum denn in aller Welt wollen sie noch mehr Studenten an den Unis, die dann mit einem mikrigen Abschluss die Unis verlassen, ohne jemals wirklich „geforscht“ zu haben. „Hurra, ich bin ein Forscher!“ sagt der Mensch dann, und hat sich nicht mal selbst erforscht.
Außerdem: Was ist da mit „Erkenntnisgewinn“ und „Wahrheit“ gemeint? (Punkt 3.6, S 76 ff) Und siehe unten: „beeinflusst“ – no na net! Und was steht da noch als Keypoints? Unter dem Titel „Wissenschaftlichkeit und Forschung als konstitutive Elemente der Lehrerinnen- und Lehrerbildung“steht da:Erkenntnisgewinn gehört zum Kern von Bildung und Ausbildung. Die Kategorie ‚Wahrheit‘ spielt in der Schule eine bedeutsame Rolle. Sowohl der über Lehrpläne vermittelte Stoff wie auch die ganze Schulpädagogik sind heute in starkem Masse durch Erkenntnisse der verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen beeinflusst.“ Aha! (Die Unterstreichungen sind keine Links!)
So ein nichts sagendes Bla Bla von Expertinnen lesen zu müssen, ist beängstigend. Das Expertenpapier geht – aus meiner Nicht-Expertensicht – an den Problemen der Schule, der Lehrer und der Lehrerausbildung völlig vorbei. Zum Erwerb der „nötigen Kernkompetenzen“ habe ich im Papier vergeblich nach „Antworten“ gesucht.
· Wenn meine Kinder noch klein wären, und ich die Wahl hätte, in welche Schule ich sie zu ihrem Wohl wohl schicken sollte, dann sicher nicht in Schulen mit Uni-Absolventen, zumindest nicht was die Grundschule betrifft.
· Das Wohl unserer Kinder und unserer Gesellschaft, welche unsere Kinder ja mal tragen und gestalten werden, ist zu wichtig, als dass man die ganze Sache an den Argumenten „einheitliches Dienst-, Besoldungsrecht“, Verwaltungsreform oder Status des Lehrberufs aufhängen sollte.
Hier ist der Link zum überarbeiteten Expertenpapier (meine Seitenangaben beziehen sich auf die Erstversion): Expertenbericht
Anmerkungen zum Projekt
„Integration: Was tun?“
Mai 2008 / Jänner 2009
Vorbemerkung
Die aktuelle Diskussion über Ursachen der steigenden Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen, insbesondere bei denen mit Migrationshintergrund, sowie die Debatten um die Rolle der islamischen Religion beim Scheitern der Integration von türkischstämmigen Gastarbeiterfamilien veranlassen mich, meine Randnotizen zu diesem Problemfeld zusammenzufassen und zur Diskussion zu stellen.
Ich habe in den vergangen Jahren als Trainer in zahlreichen Projekten zur Förderung der Integration von ImmigrantInnen und Qualifikation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund gearbeitet und zwar bei mehreren großen Bildungsanbietern. Zunächst wollte ich empirisches Material für ein Forschungsprojekt im Rahmen meiner Tätigkeit am Institut für Philosophie und Allgemeine Pädagogik an der WU Wien sammeln, um daraus gemeinsam mit einer Gruppe von erfahrenen TrainerInnen Vorschläge für eine Optimierung von Schulungs- und Integrationsmaßnahmen zu erarbeiten.
Aus zeitlichen und finanziellen Gründen habe ich das Forschungsvorhaben abgebrochen, auch weil offensichtlich kein Interesse an einer diesbezügliche Untersuchung zu erkennen war. Ich möchte aber meine Beobachtungen und Überlegungen festhalten, weil der Einblick in Lebensgeschichten und Bildungswege von Erwachsenen und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch eine länger dauernde enge Zusammenarbeit mit ihnen ein etwas anderes Bild ergibt als bloß Interviews mit TrainerInnen und Kursteilnehmern.
Vor der Mühsal, die Beobachtungsprotokolle nachvollziehbar auszuarbeiten und Schlaglichter auf Lebensschicksal von MigrantInnen nachzuerzählen habe ich zurückgeschreckt, – richtiger, ich habe mich davor gedrückt, weil mir Zweifel kamen, was es bringen könnte. Eine gut fundierte empirische Studie würde da möglicherweise mehr bewirken. Wie auch immer: Schnee von gestern!
Neben der in Publikationen und in der öffentlichen Diskussion beschriebenen Problemlage weisen meine Beobachtungen auf Problemfelder hin, welche in den aktuellen Lösungsstrategien und Programmen etwas zu wenig Beachtung finden.
Warum greifen Integrationsmaßnahmen nicht zufriedenstellend?
Im Mai 2008 habe ich meine Sicht der Problemlage in groben Zügen wie folgt zusammengefasst:
§ Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation haben andere Integrationsschwierigkeiten als jene, die in den letzten Jahren zugezogen sind.
Wesentliche Unterschiede sind auch zu beobachten zwischen jungen Männern und Frauen mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation. Diese Jugendlichen haben weniger direkte Probleme mit der Aneignung von Qualifikationen und der Deutschen Sprache, wohingegen ältere Frauen und Männer zwar überwiegend hoch motiviert sind (so sie nicht einfach auf die Pensionierung warten), aber sich wegen der jahrelang eingeschliffenen „Gastarbeitersprache“ und der mangelnden deutschsprachig privaten Umgebung (Freundeskreise, Nachbarn) ungemein schwer tun.
Dies mag trivial klingen, verwunderlich ist allerdings, dass auf diese für den Erfolg von Integrationsmaßnahmen so wichtigen Unterschiede in keiner Weise eingegangen wird.
§ Die größten Schwierigkeiten haben Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation aus der Türkei (Gruppe T), die in relativ geschlossener soziokultureller Umwelt von Gastarbeiterfamilien aufgewachsen sind. Siehe Anmerkung unten [1]. Diese bilden meines Wissens auch die zahlenmäßig größte Gruppe in Schulungs- und Integrationsmaßnahmen.
§ Neu zugezogene Erwachsene und Jugendliche (Gruppe N) zeichnen sich eher durch Offenheit, Lernbereitschaft bei gleichzeitiger Orientierungs- und Hilflosigkeit aus.
§ Im Gegensatz zu Gruppe N instrumentalisiert die Gruppe T tendenziell religiöse, kulturelle, sprachliche, etc. Marker, um ihre Andersartigkeit und Anpassungsverweigerung zu signalisieren und sich vor diesbezüglichen Ansinnen der Umwelt abzuschotten.
Die Elterngeneration der Gruppe T hat offensichtlich auf weit zurückliegende kulturelle und soziale Identitätskrisen mit einer Verhärtung der kulturellen Herkunftsidentität reagiert (innere Emigration), welche ihre Kinder in eine neue Identitätskrise stürzt. Viele Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation reagieren auf die Zwickmühle – festgekettet sein an der verhärteten kulturellen Identität der Elterngeneration und Wunsch nach Ausbruch – mit Abschottung, Lernverweigerung und Aggression gegen das nichterreichbare Andere. Zu Rollenbildern und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund vergleiche die beiden deutschen Studien:
Integration und Gewalt2
Der Knoten der Ambivalenz zwischen Wunsch nach Chancengleichheit, beruflichem Aufstieg und sozialer Anerkennung in der Mehrheitskultur und internalisiertem Festhalten an der eigenen kulturellen Identität und sozialem Umfeld der Eltern ist von ihnen nur in seltenen Fällen aufzulösen.
Die Gruppe der sich seit längerer Zeit in Österreich aufhaltenden Immigranten, vor allem Gastarbeiter, haben im Laufe der Jahre eigenkulturelle Sprengel, Enklaven gebildet und sich großteils mit ihrer Außenseiterposition abgefunden. Programme zur Förderung der Integration (DaF, Schulungen, etc.) kommen zu spät[2], weil sich ihre Identität als „Fremdkörper“ im Gastland verhärtet hat und der Rückzug in eigene kulturelle Traditionen nicht rückgängig gemacht werden kann: Die Fehler und jahrzehntelangen Versäumnisse einer kaum existenten Integrationspolitik scheinen nicht mehr gut zu machen. Hilfestellungen scheinen jedoch sinnvoll und erstrebenswert, wenn deren Kinder und Kindeskinder mit schulischen und sozialen Problemen zu kämpfen haben, sei es in Form von familiärer sozialpsychologischer Betreuung (möglichst durch Fachkräfte aus dem eigenen Kulturraum oder durch Vertrauenspersonen, wie Lehrer, Schulpsychologen, etc.). Die Gründe für Lerndefizite von Immigrantenkindern allein im Versagen des Grundschulsystems zu sehen, lenkt von den familiären, soziokulturellen Wurzeln dieser Defizite ab.
§ Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation stellen meiner Erfahrung nach allerdings auch die „lohnendste“ Zielgruppe von Förderprogrammen und Integrationsbemühungen dar, weil diese (sofern sie von Förderprogrammen überhaupt als Problemfälle erfasst werden, oder nicht von sich aus Karrierewege erfolgreich beschritten haben) sich zwar einerseits mit kaum zu lösen scheinenden Schwierigkeiten konfrontiert sehen, andererseits aber für respektvolle, einfühlsame (fachlich kompetente, nicht aufdringliche, geduldige) Hilfestellungen besonders empfänglich sind. Dazu fehlen jedoch meist entsprechend ausgebildete und erfahrene TrainerInnen. Ich habe nur wenige TrainerInnen kennengelernt, die nicht unter dem Druck ihrer Arbeitgeber und deren ProjektleiterInnen ihre Sanktionierungsmacht ausspielen.
Die in ihrer familiären Geschichte verwurzelte Identität in Frage zu stellen und sie mit Androhung von Disziplinierungsmaßnahmen (Bestrafung durch Ausschluss etc.) zum Lernen zu zwingen, erweist sich als kontraproduktiv, weil ihre Problem eben aus diesem als Anmaßung empfundenen Ansinnen der Vertreter der Mehrheitskultur herrühren. Nicht auf Veränderung von Verhaltensweisen, Einstellungen und Weltbild explizit abzielendes „Neugierigmachen“ für das Andere, für das Fremde, für andere Kulturen, historische Zusammenhänge, für den Alltag relevantes wissenschaftlich Wissen, etc. wirken hingegen als Motivationsschub für eigenständiges Nachfragen, Suchen und Lernen. Dazu braucht es jedoch pädagogisch geschulte Trainer, die nicht bei jeder Gelegenheit zu Disziplinierungsmaßnahmen greifen, sondern auf gegenseitigen Respekt, auf Förderung statt Forderung bauen. Integration muss und kann nur beginnen mit und gegründet werden auf Erfolgserlebnissen gelungener Kommunikation mit dem Anderen, dem Fremden.
§ Zur Gruppe der förderungsbedürftigen Jugendlichen zählen auch jene „Inländer“, die vom AMS zu Kursen genötigt werden, um ihre schulischen Defizite aufzuholen und damit doch noch den Weg in den Arbeitsmarkt finden können. Deren Defizite sind Ergebnis ihrer meist sehr schwierigen Lebensgeschichte (zerrüttete Familienverhältnisse, traumatische Erlebnisse, Fehltritte mit „unverdaulichen“ Folgen, etc.) und sind letztlich als „eingefleischte“ Lernverweigerung anzusehen. Lernverweigerung ist ein Aspekt des Widerstands, neben Aufbegehren und Protest gegen Zwänge und Normen, asoziales Verhalten und Aggression gegen die Disziplinierungsdruck ausübende Umwelt. In schwierigen Fällen wird sozial)psychologische Einzelbetreuung verordnet, oder die Jugendlichen werden aus allen Programmen hinausgeworfen (Es gilt das Motto: „Ein guter Trainer ist, wer mindestens eine(n) TN aus dem Kurs wirft, damit der Rest weiß, wie der Hase läuft.“ Kurs- und Aufenthaltsräume sind meist vollgeklebt mit Verbotshinweisen und Strafandrohungen.)
Ich haben mit diesen Gruppen hingegen gute Erfahrungen gemacht mit respektvollem Ernstnehmen der problematischen TN und vorsichtigem Herausführen aus der leidvollen Sackgasse: Initiieren von kleinen Erfolgserlebnissen, von Erfahrungen, dass sie/er nicht dumm und unfähig ist, – dass es Freude und Genugtuung bereitet, die Welt für sich zu entdecken, Hindernisse zu überwinden und dafür Anerkennung zu bekommen. „Selbstheilung“ beginnt mit positiven Erfahrungen und nicht mit Thematisieren von Problemen, – der Fokus sollte auf Ersetzen der negativen Erfahrungen durch positive liegen.
Zu denken gibt auch eine Beobachtung, dass in Förderprogrammen (TN-Gruppen mit Defiziten, Lernschwächen und Verhaltensschwierigkeiten) zwischen problematischen inländischen Jugendlichen und Jugendliche und jungen Erwachsene mit Migrationshintergrund der zweiten und dritten Generation eine Art „Verbrüderung“, Solidarisierung stattfindet, um im gemeinsamen Widerstand gegen die „böse“ Umwelt die eigene Weltsicht zu bestärken und Anerkennung von „Seinesgleichen“ zu erhaschen. Solch schwierige Gruppen sind mit repressivem, disziplinierendem TrainerInnenverhalten noch weniger zu führen: Wenn die Angst vor Bestrafung groß genug ist, um während der Kurszeit Ruhe und Ordnung sicher zu stellen, dann entlädt sich die Aggression umso stärker außerhalb des „Spielfelds“. Sinnvolle Förderprogramme, die Integrationsbereitschaft und -fähigkeit bzw. die Überwindung von Barrieren und Beseitigung von (Bildungs-)Defiziten zum Ziel haben, müssen auf die Problemlagen der jeweiligen Zielgruppe abgestimmt sein.
§ Die Zielgruppe der sich relativ seit kurzer Zeit in Österreich aufhaltenden Emigranten aus den Balkanländern, der Türkei, Vorder-, Zentralasien etc. (vorwiegend aus islamischen Kulturkreisen) benötigt in erster Linie die Befähigung des Zugangs zum Arbeitsmarkt zur eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts.
Während Grundkenntnisse in Deutsch (was in 6 bis 8 Wochen DaZ (Deutsch als Zweitsprache) Kursen erreicht werden könnte, bei entsprechend qualifizierten TrainerInnen), oder auch Englisch für eine Erwerbstätigkeit meist ausreichen können, bilden berufliche Qualifikationen, fachliche Kompetenzen der Schlüssel für ein schrittweises Einleben in das neue gesellschaftliche kulturelle Umfeld. Weiterführende, berufsbegleitende Sprachkurse sollten ein Hängenbleiben auf entmutigendem sozialem Niveau verhindern. Hilfestellungen bei der Anerkennung, bzw. Erweiterung der im Heimatland erworbenen Qualifikationen ist nötig, um Karrierewege zu öffnen und damit Integration als erstrebenswert erscheinen zu lassen (Sicherung der Lernmotivation).
Defizite im gegenwärtigen System
Einige Anbieter von Förderprogrammen (die über das AMS finanziert werden) begegnen den Schwierigkeiten im Umgang mit KursteilnehmerInnen mit verstärktem Disziplinierungsdruck und Unterdrückung von Eigenständigkeit (Kreativität, Eigeninitiative, Selbstfindung durch soziales Lernen, Eigenverantwortlichkeit, etc.).
Um Schwierigkeiten und Problemen aus dem Weg zu gehen, zu verhindern, agiert die Administration von Projekten meist als Projektleitung, ohne jedoch über eine pädagogische, psychologische Ausbildung bzw. Erfahrung in Menschenführung und Erziehung zu verfügen: ProjektleiterInnen als Verwalter der Problemfälle und Vollstrecker des gesellschaftlichen Disziplinierungsauftrags. Bevorzugte TrainerInnen sind jene, die sich diesem „Auftrag“ bedingungslos unterordnen, was sie vielfach auch murrend tun, weil sie wegen ihrer prekären (freien) Beschäftigungsverhältnisse auch keine andere Wahl haben. (Viele Trainerinnen sind alleinstehende Frauen mit Kind und ohne Studienabschluss und / oder sind aus anderen Gründen von dieser Erwerbstätigkeit abhängig.)
Der Aus- und Weiterbildungsmarkt orientiert sich nach ökonomischen Gesichtspunkten und nicht nach pädagogischen: Das Personal der TrainerInnen muss möglichst gering gehalten werden und billig sein; Kursräume müssen ausgelastet und Kurse voll sein; die (formalen) Outputquoten müssen möglichst hoch sein. Unter diesem Input-Output Gesichtspunkt kann wenig Rücksicht genommen werden auf die Interessen, Bedürfnisse und Problemlagen der Teilnehmer-KundInnen, was dazu führt, dass Kurse mit TeilnehmerInnen gefüllt werden, mit denen Gruppenarbeit, gemeinsames Lernen wegen der Unterschiedlichkeit der Ausgangslage schwierig bis unmöglich ist. Eine seriöse Evaluierung der Lernforschritte und Kundenzufriedenheit wird mit nichtssagenden Einstufungs- und Abschlusstests umgangen, denn diese könnten Aufschluss über das Versagen des Systems geben. Online Feedbackbögen werden oft von TrainerInnen selbst ausgefüllt, auch weil die Fragestellungen so formuliert sind, dass sie von TeilnehmerInnen mit mangelhaften Deutschkenntnissen gar nicht verstanden werden können.
Unter diesen Bedingungen leiden all jene engagierten TrainerInnen, welche ihre TeilnehmerInnen und ihre unterschiedlichen Probleme ernst nehmen und versuchen, sie auf den Weg zu selbstverantwortlichem Verhalten und eigenständigem Lernen zu bringen. Deren Kritik an den „angepassten“ (oft unqualifizierten) KollegInnen und ihren nicht selten respektlosem Verhalten, dem bisweilen menschenverachtenden bis rassistischen Umgang mit Problemfällen begegnet die Projekt-Administration nicht selten mit der Belehrung, dass sie sich ein Vorbild nehmen sollten an ihren gestrengen KollegInnen, die ihre Schützlinge fest im Griff hätten.
Was die TrainerInnen im Bereich DaF (bzw. Deutsch als Zweitsprache) betrifft, so musste ich leider feststellen, dass die überwiegende Mehrheit der TrainerInnen über keine bzw. über eine äußerst mangelhafte Ausbildung in (moderner) Sprachdidaktik verfügen. In vielen Kursen sitzen die Teilnehmerinnen mit geduckten Köpfen hinter ihren Tischen und lassen den Redeschwall frustriert und stillschweigend über sich ergehen. Von Pädagogik, aktivierendem Training, sprechanlassbezogener Kommunikation, Anknüpfen an Erfahrungen, Bedürfnisse und Probleme der Teilnehmer keine Spur: Pauken und Dozieren von völlig irrelevanten Inhalten und dümmlichen Aufgabenstellungen sind die Regel. Erfahrungsaustausch zwischen TrainerInnen gibt es so gut wie nicht, denn wer will sich schon in die schlechten Karten schauen lassen. Ich spreche hier nicht von Engagement der TrainerInnen, sondern von Unwissen und haarsträubender Unfähigkeit.
Wo könnten und sollten Verbesserungen ansetzen?
Richtlinien für bedarfsorientierte Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen für Erwachsene und Jugendliche mit Migrationshintergrund sollten folgende Schwerpunkte beinhalten:
§ öffnen interkultureller Lernbereitschaft
(Überwindung von Lernbarrieren / Reflektieren von kulturspezifischen Denk- und Verhaltensmustern / Wecken der Neugierde für das Andere, Fremde)
§ erweitern der sozialen, kommunikativen Kompetenz
(Sensibilisierung für soziale, gruppendynamische, politische Prozesse / Einüben von Konfliktlösungsstrategien, u. Ä.)
§ wecken der Neugierde für allgemeines Wissen
(Vertiefung der Allgemeinbildung / Aufholen schulischer Defizite / Anregung zu selbständigem Wissenserwerb / Einsicht in Zusammenhänge der modernen Lebenswelt, u. Ä.)
§ unterstützen des lebens-, berufsorientierten Spracherwerbs und der Nutzung neuer Ressourcen und Medien
§ sinnvollere Organisation und Durchführung der Förderung von Integration
o Überprüfung der Vergabekriterien für Integrations- und Förderprogramme.
o Orientierung an Lernzielerreichung und evaluierten Lernfortschritten der TN (Lernziele müssten viel präziser und konkreter berufs- und lebensorientiert definiert werden!)
o Trennung der Projektleitung von Administration innerhalb der Schulungsanbieter
o Die Projektleitung muss über pädagogische, psychologische Ausbildung und Erfahrung verfügen und bewandert sein in Konfliktmanagement, Gruppendynamik und Menschenführung.
o TrainerInnen sollen an zumindest teilweise vom Auftragnehmer / Projektanbieter finanzierte Aus- und Weiterbildung in Sozialpsychologie (Gruppendynamik, Konfliktmanagement, interkulturelle Kommunikation, Sprachdidaktik, etc.) teilnehmen müssen. TrainerInnen müssen in der Lage und fähig sein, auf die Gründe von Lerndefiziten, Verhaltensproblemen und Integrationsschwierigkeiten mit angemessenen Maßnahmen und Methoden einzugehen.
o Der Erfahrungsaustausche, das Voneinander-Lernen soll ein fixer Bestandteil der (entlohnten) Trainerarbeit sein (Teambesprechungen, Vernetzung, Hospitationen als bezahlte Arbeitszeit)
o Organisation der Kurs- / Lernzeiten der TN nach Zumutbarkeit, Interessenlagen, Lernbedarf und spezifischen Lebensbedingungen unterschiedlicher Zielgruppen wie Jugendliche, Mütter, arbeitslose ältere Frauen und Männer, etc.
o Kurse für DaF, Aufholen schulischer Defizite, berufsorientierte Aus- und Weiterbildung sollen gestaffelt durchgeführte werden, sowohl abwechselnd während eines Tages als auch in der Abfolge von Wochen und Tagen, um ermüdende Eintönigkeit einerseits und Lebensferne andererseits zu vermeiden.
o Alle Trainingsmaßnahmen sollen so organisiert und durchgeführt werden, dass gleichzeitig mit der Aneignung kognitiver, berufsrelevanter Lerninhalte auch soziale Kompetenz (Verhalten, Reflexionsfähigkeit, Offenheit, Respekt, Einfühlungsvermögen, etc.) eingeübt werden kann. Voraussetzung dafür sind dementsprechend ausgebildete Trainer, die nicht nur vortragen und zum passiven Aufnehmen zwingen, sondern die soziale Situation der Gruppe nutzen, um Selbstmotivation zu evozieren. (Lerninhalte und Lernziele sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Orientierung und Positionierung im sozialen Raum, der selbstverantwortlichen, eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts und dem Öffnen von Aufstiegschancen.)
Die Hauptpunkte meiner Kritik und meiner Verbesserungsvorschläge richten sich auf die meiner Ansicht nach vielfach mangelnde Qualität der von den großen Anbietern durchgeführten Schulungsmaßnahmen, auf die mangelnde pädagogische und fachliche Qualifizierung der TrainerInnen, auf die Struktur der Schulungsangebote sowie auf die Vergabepraxis durch das AMS insgesamt. Es verwundert mich, dass kleinere, qualitätvolle Anbieter bei Projektausschreibungen meist leer ausgehen, wohingegen die wenigen großen Anbieter mit Preisdumping und geschönten Erfolgsberichten die lukrativen Projekte einheimsen.
[1] Dies hängt offensichtlich auch damit zusammen, dass türkischstämmige Jugendliche auf einen durch die Elterngeneration und deren kulturelle Identität streng eingegrenzten „Heiratsmarkt“ beschränkt sind. Sie haben die geschlechtsspezifischen Rollenbilder der Eltern internalisiert oder werden gezwungen, sich an diesen zu orientieren, was dazu führt, dass weibliche Jugendliche wesentlich mehr Wert auf gutes, attraktives Aussehen als auf Bildung und Karriere legen, denn diese könnte ein Hindernis sein, einen „akzeptablen“ Partner zu finden. Männliche türkischstämmige Jugendliche scheinen ihre Defizite im Bereich Bildung und Berufschancen mit einem ausgeprägten „männlichen“ Imponiergehabe zu kompensieren, welches ihrer potenziellen Partnerin signalisieren soll, dass sie Herr der Lage sind und der künftigen Mutter und Hausfrau Stütze und Halt geben können. Weil der „Heiratsmarkt“ und die Rollenattribute darin so eingeschränkt sind und auch keine Möglichkeit besteht, auf einem weiteren Markt zu konkurrieren, wo andere Qualitäten und Kriterien eine Rolle spielen können, erübrigt sich die Frage: Wozu also lernen? Zumindest habe ich diesen Eindruck gewonnen.
[2] Programme wie „Mama lernt Deutsch“ oder ein verpflichtendes Vorschul-Kindergartenjahr scheinen mir vielversprechend, doch sie kommen reichlich spät, wenn nicht in vielen Fällen zu spät.
Na endlich, endlich tut sich was beim AMS, - ich frag mich nur, wer die genannten Überprüfungen vornimmt. Sind das speziell geschulte "Pädagogen" oder sonstwie ausgewiesene Fachleute? Hier ein Ausschnitts der Kurzmeldung im Stadard:
Hundstorfer: Keine "Sinnlos"-Formulare bei AMS-Kursen (30. Juli 2014, 16:15 derStandard.at)
Sozialminister verweist auf laufende Kontrollen zur Qualitätssicherung der Kurse
"Was ist Arbeit?", sollten AMS-Kursteilnehmer anhand einen Formulars bewerten (derStandard.at berichtete). Die Antwortmöglichkeiten sorgten für Aufsehen, waren sie doch sexistisch und erschienen Kursteilnehmern "sinnlos". Beispiele: "Eine Animierdame lässt sich zum Whiskey einladen", "Eine Ehefrau macht sich jeden Tag um 19 Uhr für ihren Mann schön."
"Außerdem verweist der Sozialminister auf laufende Vor-Ort-Kontrollen, bei denen auch die Kursunterlagen und die Qualität der Kurse überprüft würden, während auch das AMS Wien die Beschwerden der Kursteilnehmer systematisch aufarbeite."
„anhand einen Formulars“ – das steht tatsächlich so im Original – nur ein kleiner „Tipfehler“
Diskriminierung durch Antidiskriminierung
Oder
Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen des Staatsapparats
Die Frage ist nicht, „Wozu tu ich mir das an?“, sondern, „Wer hilft uns dabei?“
Wozu ein sommerlicher Urlaub in meiner zweiten Heimat Japan – außer in der Hitze den Schmutz des vergangenen Jahres ausschwitzen – noch gut ist, das liegt auf der Hand: Frische Fische auf dem Tisch – aaahhh, super! – und dazu eine Tasse grünen Tee!
Nach getaner Garten- und sonstiger längst fälliger Reparaturarbeiten am japanischen Haus im 37 Grad warmen Süden finde ich auch endlich etwas Zeit, einige lange vor mir hergeschobene Schreibereien zu erledigen. Das folgende Thema liegt mir sehr am Herzen, weshalb ich’s vorziehe.
Es folgt eine etwas längere Geschichte, eine Erklärung, bevor ich die Katze – eigentlich ist es ein kleines, liebes Kätzchen – aus dem Sack lasse.
Es ist ja schon „gerichtsbekannt“, aber ich erwähn es noch mal: Seit fast fünfzig Jahren bin ich pädagogisch unterwegs, von der Volksschule angefangen bis zur Uni, zu Erwachsenenbildung, Organisationsberatung, Einzelcoaching und Ärzte-, Trainer-, Lehrer-, Lehrerinnenausbildung und wieder zurück zu den kleinen Kindern. Ein Schwerpunkt meines pädagogischen Engagements war und ist die sprachliche Befähigung zur aktiven und erfolgreichen Teilnahme am öffentlichen und beruflichen Leben und vor allem zum Wissenserwerb. (Seit meiner Pensionierung waren es auch Projekte des BMUKK – wie „Eltern als Bildungspartner“, „Lehrerbildung Neu“, „Kreativ - Innovativ“, „E-Learning im Schulalltag“, an denen ich mitarbeiten durfte.
Das weiß u.A. auch das AMS, weshalb sie mich ab und zu anrufen, ob ich nicht einen Problemfall übernehmen könnte, so außergewöhnliche Typen, zu intelligent, gebildet und eigensinnig, als dass sie in einen ordinären AMS-Kurs passen. Inzwischen hab ich schon einigen davon den Weg geebnet zur Erreichung ihrer beruflichen und sonstigen Ziele.
Mein vorletzter Fall (weil der letzte mit Wehmut abgeschlossen ist) ist an mir hängen geblieben, und zwar eine kopftuchtragende Türkin, intelligent, gebildet, lernhungrig und voller toller Ideen, die sie mir wie einen Floh ins Ohr geschleust hat.
Sie hat eine Kindergartenpädagogikausbildung hinter sich und arbeitet seit einigen Jahren als Kindergartentante, aber – das reicht ihr bei Weitem nicht. Sie wollte selbst ein Kolleg für Elementarpädagogik auf die Beine stellen, und zwar ein ganz besonderes Kolleg, ein interkulturelles, weltoffenes und ein bisschen mehr naturpädagogisches, kindliche Fähigkeiten entfaltendes Kolleg. Für wen? Ja, das ist die Frage. Die Antwort weist auf einen wichtigen Aspekt des „Projekts“ hin.
Ihre Argumente „für“ haben mich überzeugt, was eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, weil ich selbst an diesem Thema seit einiger Zeit arbeite: Bildung und Integration beginnt schon im Kleinkindalter in der Familie, und immer wichtiger, im Kindergarten werden schon die Weichen gestellt für den späteren sozialen und beruflichen Lebensweg.
Dazu passt gerade das Gespräch (28.07) im ORF-Morgenjournal mit Heinz Fassmann (http://oe1.orf.at/artikel/383457 ) Siehe dazu auch meinen Artikel „Integration – Was tun?“ auf meiner Homepage – Über die Brücke – Zur Diskussion.
Begründung 1:
Es gibt hierzulande so viele junge Frauen (aber auch einige Männer) mit Migrationshintergrund – hauptsächlich, aber nicht nur kopftuchtragende Gastarbeiterenkelkinder – die Matura haben, aber die es auf dem Arbeitsmarkt unglaublich schwer haben, eine entsprechende Anstellung zu finden. Viele von ihnen arbeiten im Kindergarten als Hilfskräfte oder sitzen gelangweilt und frustriert zu Hause, weil die öffentlichen BAKIP’s sie nicht zum Studium der Elementarpädagogik aufnehmen (wollen) und wenn, dann scheitern sie meist nach dem Diplom an den Kindergartenleiterinnen. So viel ungenutztes Potential, wo wir in Österreich doch einen enormen Bedarf an qualifizierten Kindergartenpädagogen und -innen haben und noch dazu solche, die mehrere hiesig verwendete Sprachen sprechen.
Begründung 2:
Dieses Argument scheint mir das noch viel wichtigere zu sein und das wäre: Die von fast allen Bildungsexpertinnen und –Experten als problemlösend für Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund geforderte „Durchmischung“ im Elementar- und Primärbildungsbereich findet auf einigen wichtigen Sektoren nicht oder kaum statt,
weil
1. durch das Privatschulgesetz (aus dem Jahre 1962 !!) und durch die Vergabepraxis von Subventionen einige wenige „renommierte“ Privatschulen einerseits und alle konfessionellen Privatschulen staatlich anerkannter Religionsgemeinschaften andererseits fast ausschließlich mit Subventionierungen unterstützt werden, wohingegen Initiativen und Projekte mit zukunftweisenden (interkulturellen, integrativen, etc.) Ansätzen weitgehend leer ausgehen und daher sich auch gar nicht beweisen und etablieren können, was zur Folge hat, dass z.B. eher wohlhabende katholische etc. bzw. mittelschichtige Originalösterreicher / -österreicherinnen ihre Kinder in katholische (etc.) Privatschulen schicken, während muslimische (etc.) Eltern ihre Kinder in muslimische Kindergärten und Privatschulen schicken, weil diese ja gefördert werden und überdies konservativen (und/oder bildungsfernen) Schichten beiderseits dies ja eh gerade recht kommt, was bildungs- und demokratiepolitisch fast einem Desintegrationszwang gleichkommt. Dass sich ethnische, weltanschaulich begründete, sozial und ökonomisch benachteiligte Gruppen enger zusammenschließen und sich tendenziell von der Mehrheitsbevölkerung abschotten, wird dadurch verstärkt: „Die verstehn und wolln uns ja eh nicht und bezahlen sogar dafür, dass wir unter uns bleiben!“
Wozu diese verschleierte, indirekte Diskriminierung führt, können wir in erschreckender Weise in den Medien sehen, hören und lesen: Rückzug, Trotzreaktion, Frust und in manchen Fällen zu Aggression, Hass und fundamentalistischem Rückwärtsgang. Diskriminierung heißt lateinische eigentlich „unterscheiden, trennen“ und manifestiert sich im sozialen Bereich in der Unterscheidung: hier die Weißen – da die Schwarzen, die Kapitalisten – die Proletarier, die Oberen – die Unteren, die Guten – die Bösen, die Christen – die Muslime und …. und, und, und. Die Zuschreibung des Schlechten, des Bösen auf „die Anderen“ durch „Wir“ drückt sich in der mildesten Form aus in der Aussage einer Kindergartenleiterin: „Hier in meinem Kindergarten ist das Kopftuchtragen unerwünscht, denn wir wollen den Kindern kein schlechtes Vor-Bild geben!“
weil
2. in öffentlichen Schulen kaum bis fast keine Lehrkräfte mit Migrationshintergrund (und dementsprechender Mehrsprachigkeit) tätig sind, weil sie – ob sie jetzt ein hübsches, buntes Kopftuch tragen oder nicht und aus welchem Grund auch immer (siehe dazu: www.jo-ortner/ Über die Brücke / Einwürfe / Burka) – diesen Ausbildungsweg nicht schaffen, weil er ihnen „informell“ – weil’s ja gegen das Antidiskriminierungsgesetz verstoßen würde – als der „Allgemeinheit“ nicht zumutbar ins Hirn gebrannt wird. (Siehe dazu: www.jo-ortner.at/page14.php IKIP / Land der schlechten Gastgeber)
Integrationsberichte und Studien zu diesem Thema mögen noch so eindringlich auf dieses Problem hinweisen und Maßnahmen fordern, – eine politisch schwer durchsetzbare (weil ja – wie ich selbst mehrmals zu hören bekam – alle sich vor den Rechten fürchten), zielführende Lösung ist meiner Ansicht nach nicht in Sicht. Übrig bleiben Privatinitiativen. Über deren Schwierigkeiten mit Behörden und Beamtinnen und Beamten komme ich noch kurz zu sprechen.
weil
3. Sollte sich jemand aus tiefster Überzeugung – nicht religiös gemeint – sich so eine Privatinitiative antun, muss sie oder er oder beide zunächst mal einen Verein gründen und dieser sollte ein „Hilfsverein“ einer Glaubensgemeinschaft sein (wegen des gesetzlichen Anspruchs auf Subventionierung des Lehrpersonals) und als „Schulerhalter“ dienen. Weil die künftigen Schüler und Schülerinnen, bzw. Studentinnen und Studenten ja aus nicht begüterten Familien stammen und meist ihren (und den ihrer Kinder – als Alleinerzieherinnen) Lebensunterhalt selbst verdienen müssen und über wenig übriges Geld verfügen, muss der Schul- bzw. Studienbeitrag dementsprechend niedrig angesetzt werden. Mit diesen Beiträgen kann eine Schule natürlich nicht geführt werden, weshalb der schulerhaltende Verein – als gemeinnütziger Verein, weil’s damit leichter ist – sich um Spenden bemühen muss.
Sollte der Verein allerdings ein Hilfsverein der islamischen Glaubensgemeinschaft sein[1], dann will sich klarerweise kein spendenwilliger Firmenchef oder ein sonst in der Öffentlichkeit als „wichtig“ angesehener Humanist oder Optimist die Finger damit verbrennen, einer islamischen Schule bzw. einem „fremdkulturellen“ Verein Geld zu spenden. Milliardenschwere Ölscheichs haben da andere Prioritäten und christliche Bildungseinrichtungen haben Bitten um „freiwillige“ Spenden nicht nötig. Wie gesagt: Das Problem sind Migrantinnen, Migranten und Jugendliche mit bestimmten Migrationshintergründen, die keine Lobbys haben, weil sie weder extrem sind noch sonst irgendwie sich Gehör zu verschaffen wissen, sich stattdessen in den „Schmollwinkel“ zurückziehen und sich trotzig sagen: „Jetzt erst recht, jetzt zeig ich mit meinem Kopftüchl oder sonst wie, wer ich bin und dass ich auch einen Stolz habe!“
Man / frau mag Argumente der Bildungsexperten diskutieren und goutieren oder nicht und plausible Einwände dagegen vorbringen, aus meinen langjährigen Erfahrungen und mit ein wenig historisch, psychologisch, soziologisch, philosophisch eingefärbten Augen kann und muss ich sagen, dass eine „menschliche Mischkulanz“ für alle Bürger eines Landes und für das Gemeinwesen insgesamt auf lange Sicht „gesünder“ ist als Separationen, Barrikaden und Einbetonierungen. Aber eine Aufweichung der „Diskriminierung“ von „Wir“ und die „Anderen“ ist nicht – oder sagen wir besser – kaum zu erreichen mit Vorträgen, Kongressen, wissenschaftlichen Studien und gescheiten, wohlwollenden Äußerungen von Würdenträgern unterschiedlicher Konfessionen in der Akademie der Wissenschaften, das kommt unten nicht an, sondern – ich bin trotz allem Optimist – durch viele kleine Schritte von vielen stinknormalen Leuten. (Diesen Text schreibe ich natürlich nicht für diese Leute!)
Jetzt zu den Fakten:
Also, ich habe mich nicht lange überreden lassen und habe mit dieser weltoffenen, engagierten Frau einen Verein und danach ein berufsbegleitendes Abendkolleg für „Interkulturelle Kindergartenpädagogik“ gegründet und es haben sich in kurzer Zeit auch einige „Gleichmotivierte“ gefunden, waschechte Einheimische und noch nicht waschechte und wir haben mit dem Unterricht schlussendlich beginnen „dürfen“.
Wie viele und wie hohe Hürden da zu überwinden waren, bis wir für das Kolleg endlich das Öffentlichkeitsrecht zuerkannt bekommen haben – denn das ist enorm wichtig, weil nur damit Diplome auch öffentlich anerkennt werden und als Türöffner genutzt werden können – das kann ich in gebotener Kürze nicht beschreiben, aber ich erzähl’s gern mal jemandem mündlich, damit mir keine möglicherweise sich beleidigt fühlende „Amtsperson“ auf die Zehen treten kann.
Das Kolleg hat seinen regulären Unterrichtsbetrieb im September 2013 begonnen und startet mit einem zweiten Lehrgang im Herbst 2014, da werden wir dann in beiden Lehrgängen zusammen mehr als 50 Studierende haben und alle hoffentlich erfolgreich durch die sechssemestrige Studienzeit führen können. Weitere Interessenten und private Organisationen haben sich auch schon gemeldet.
Da gibt es allerdings noch mindestens ein Problem – und jetzt lasse ich
das Kätzchen aus dem Sack: (Den Sack habe ich am 10 Juli 2015 aus persönlichen Gründen geleert, doch was das Kätzchen war, ist nicht allzu schwer zu erraten.)
.............
Rat und Tat, Ermunterung und jegliche Art von Unterstützung sind immer willkommen und herzlichst erwünscht.
Jetzt muss ich dringend zum Pazifik radeln, weil’s mir hier in der Stadt zu heiß ist.
und: Grüße aus dem Land der aufgehenden Sonne.
Einige Hinweise auf Wortmeldungen in einschlägiger Sache:
Studie „Integration in Österreich“ von Univ.-Doz. Dr. Peter A. Ulram; Siehe insb. S. 48 – 79
„Von der Fremdarbeit zur Integration? – (Arbeits)migrations- und Integrationspolitik in der Zweiten Republik“ von Bernhard Perchinig www.demokratiezentrum.org
Barbara Herzog-Punzenberger: „Massive“ Dequalifizierung auf dem Job-Markt;
Heinz Fassmann: Für „ethnischen Mix“; Ö1 Morgenjournal 28. 07. 2014-08-24
Karin Kirchmayr: In der Außenseiterfalle; DERSTANDARD 05.08. 2014 „Soziale Ausgrenzung führt zu Aggression, Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit - und in manchen Fällen zu religiösem Fundamentalismus, wie die Sozialpsychologin Nilüfer Aydin festgestellt hat.“
Farid Hazed: Jugendkultur Jihadismus; DERSTANDARD 21.08. 2014
„Integration? Realitätsverweigerung!“ 06.05.2012 | 18:24 | ERICH KOCINA (Die Presse) NGOs und Medien als Bremsklötze einer sinnvollen Integrationsdebatte.
Elementarpädagogik: Keine Frage der Ideologie 20.09.2013 | 18:47 | DANIELA MATHIS (Die Presse)
AK: Großer Aufholbedarf bei Kindergärten Mittagsjournal, 4.12.2013. Österreich hinkt in einem internationalen Vergleich der Kindergärten hinterher.
Kindergarten: „Die Mütter sollten nicht abgekanzelt werden“ 22.07.2014 | 18:38 | Julia Neuhauser (Die Presse) Im Kindergarten brauche es mehr und vor allem anders ausgebildetes Personal, sagt Pädagogin Lex-Nalis. Siehe auch: Plattform EduCara - Heidemarie Lex-Nalis Kritik am System
Warum Kindergarten mit fünf Jahren zu spät ist, wie man die Eltern ins Boot holen kann, und warum manche Neue Mittelschulen mit dem verpflichtenden Zweitlehrer nichts anzufangen wissen. 13.07.2014 | 18:07 | von Rosa Schmidt-Vierthaler und Bernadette Bayrhammer im Gespräch mit Heidi Schrodt, Isabella Zins - (Die Presse) Mittagsjournal, 4.12.2013
Siehe auch: Integrationsbericht 2013; insb.: S. 16 – 25 / Integrationsbericht 2014
Und viele mehr!
Und ich bin sicher, da melden sich noch mehr zu Wort, denn wir alle haben ein Problem mit der Toleranz und dem Weltfrieden, denn warum sonst grüßen wir und rufen uns die Geistlichen zu „Friede! Der Friede sei mit euch!“ Gehet hin in Frieden!“ Da steckt doch was dahinter! Oder?
Miyazaki, 20.08. 2014
[1] Warum es nahe liegt, einen „islamischen Hilfsverein“ als Schulerhalter zu gründen und nicht einen irgend einer anderen Religionsgemeinschaft nahestehenden, hat vor allem damit zu tun, dass die Zielgruppe des Projekts „Interkulturelle Kindergartenpädagogik“ Jugendliche mit Migrationshintergrund erstens türkischstämmige Gastarbeiterkinder sind (mit muslimischer Tradition) und zweitens Immigranten und Immigrantinnen, die vor nicht allzu langer Zeit zugezogen sind, hauptsächlich aus Krisengebieten stammen, in denen der Islam eine kulturprägende Rolle spielt. Aber wie gesagt, ein nicht über die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft definierter Verein und damit in Zusammenhang, eine nichtkonfessionelle, sondern nach allen Seiten offene Bildungsanstalt für Elementarpädagogik wäre von der Zielsetzung her gesehen das Vernünftigste. Von den Lerninhalten und –zielen her gesehen, die in der Ausbildung am Kolleg eine Rolle spielen, ist die konfessionelle Zuschreibung eigentlich irrelevant, weil der Lehrplan auf Punkt und Beistrich dem der öffentlichen Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik entspricht, mit Ausnahme das zwingend vorgeschriebenen Religionsunterrichts welcher Konfession auch immer. Ich frage mich: „Was hat Religion in der Schule zu suchen? Religion ist Privatsache und Religionsunterricht soll von den Glaubensgemeinschaften organisiert und betrieben werden. Warum muss ich, müssen wir als Steuerzahler für etwas aufkommen, das wir, bzw. ich in keiner Weise vertrete(n)? Ein „Menschlichkeitsunterricht“ wäre sinnvoller, auch wenn ich an der Menschlichkeit der „Menschheit“ so meine Zweifel hege.
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